Ein gefährliches Doppel: Corona und Grippe Von Michael Bauer, dpa

Experten sind besorgt, dass sich Corona- und Influenzaviren in der
bevorstehenden Grippesaison parallel verbreiten und damit das
Gesundheitssystem stark herausfordern. Ein kleiner Pieks kann zwar
nicht gegen Corona, wohl aber gegen Grippevirus schützen.

Mainz (dpa/lrs) - Im März kam Rheinland-Pfalz noch einmal glimpflich
davon: Als das Coronavirus sich ausbreitete, flachte die Grippewelle
bereits ab, erinnert sich Dr. Barbara Römer, die Vorsitzende des
Hausärzteverbands. «Es gab eine Parallelität von Corona und Influenza

von etwa zwei, maximal drei Wochen. Anfang April war die
Influenza-Saison beendet, Corona lief weiter.»

Das Risiko eines Nebeneinanders von beiden Infektionskrankheiten habe
daher nur sehr kurz bestanden, erklärt Römer, die eine
Gemeinschaftspraxis im rheinhessischen Saulheim betreibt. Zudem sei
die Influenzasaison 2019/20 sehr mild verlaufen.

Im Herbst 2020 ist die Lage anders als im Frühjahr: Die Grippesaison
beginnt, und Corona hält das Land weiter im Griff. Es ist dieses
Nebeneinander der Viren, das Gesundheitsexperten Sorgen macht. Denn
eine starke Grippewelle in Zeiten der Corona-Pandemie könnte das
medizinische System und auch die Krankenhäuser stark beanspruchen.

Influenzaviren, die die Grippe hervorrufen, zirkulieren nach Angaben
des Robert Koch-Instituts (RKI) schon im Herbst. Die Impfung sollte,
so rät das Gesundheitsministerium, bis spätestens Mitte Dezember
verabreicht werden. In der ausgesprochen heftigen Saison 2017/18
starben nach RKI-Angaben in Deutschland etwa 25 000 Menschen an einer
Influenza.

«Influenza wird wegen Corona keine Pause machen», warnt Römer. Die
Frage laute: Wie ausgeprägt wird in dieser Saison die
Influenza-Welle? «Ich weiß es nicht und appelliere dennoch an alle
Menschen, die sogenannten AHA-Regeln zu beachten, also Abstand
halten, Hygieneregeln einhalten und Alltagsmasken tragen.»

Diese einfachen Verhaltensregeln hätten in den Sommermonaten
erfreuliche Nebeneffekte gehabt, erklärt die Ärztin: «Wir haben
deutlich weniger Magen-Darm-Infekte behandelt, als sonst im Sommer
üblich ist. Als Grund sehe ich hierfür insbesondere das häufigere
Händewaschen und Abstandhalten. Einen ähnlich positiven Effekt
verspreche ich mir gerade auch durch das Masketragen in Bezug auf
Erkältungsviren und Influenza, die beide durch Tröpfen übertragen
werden.»

Ganz wichtig sei auch die Impfung gegen Influenza, betont die Ärztin.
Die Hausarztpraxen in Rheinland-Pfalz seien schon jetzt
flächendeckend aktiv. «Ich weiß um die Diskussion, dass der
Influenza-Impfstoff keinen hundertprozentigen Schutz bietet. Das
Influenza-Virus ist sehr flexibel und setzt sich jedes Jahr genetisch
etwas anders zusammen», sagt Römer. Dies stelle daher jedes Jahr eine
Herausforderung für die Impfstoffentwicklung dar. «Nichtsdestotrotz:
Jeder Schutz mit Hilfe einer Impfung ist besser als keiner.»

Sie erkläre allen Patienten, dass eine Impfung gegen Influenza keinen
Schutz vor einer Coronainfektion biete, sagt Römer. «Allerdings bin
ich aus langjähriger Praxiserfahrung der festen Überzeugung, dass
jede Impfung, egal wie sie heißt, einen zusätzlichen Stimulus für das

Immunsystem darstellt, dieses trainiert und eine immunstärkende
Wirkung aus sich heraus besitzt, da sich der Körper mit dem Impfstoff
aktiv auseinandersetzen muss.»

Priorität bei der Grippeschutzimpfung müssen nach ihrer Ansicht
Menschen ab 60, chronisch Kranke, Schwangere und jene haben, die
berufsbedingt viele Kontakte zu Menschen in sensiblen Bereichen
haben, etwa Kita-Personal, Lehrer oder medizinisches Personal. Nach
Römers Beobachtung ist die Bereitschaft vieler Menschen, sich gegen
Influenza impfen zu lassen, in den vergangenen Wochen dank der
öffentlichen Aufklärungskampagnen gestiegen.

Auch im Landtag wurde am Donnerstag für den Schutz gegen Influenza
geworben. Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD)
und zahlreiche Abgeordnete ließen sich impfen. Gerade jetzt sei es
mit Blick auf die steigenden Corona-Infektionszahlen wichtig, die
Zahl der Grippeschutzimpfungen zu steigern, damit die
Krankenhauskapazitäten nicht durch andere Erkrankungen beansprucht
würden, sagte die Ministerin. Insbesondere Risikogruppen sollten sich
durch ihren Appell angesprochen fühlen. «Ein kleiner Pieks, der eine
große Wirkung für uns alle haben kann», betonte die Ministerin.