Schlachthofschließungen vergrößern Not der Bauern

Die Bauern wissen nicht mehr, wohin mit ihren schlachtreifen
Schweinen - der Platz wird knapp, die Not wird groß. Die Lage ist für
die Landwirte existenzbedrohend.

Hannover (dpa) - Angesichts coronabedingt weiter abnehmender
Schlachtkapazitäten in Deutschland fordern Landwirte Hilfe von
Politik und Verwaltung. Vor allem in Niedersachsen, einer der
Hochburgen der Schweinehaltung in Deutschland, befänden sich die
Betriebe in einer existenzgefährdenden Notlage, teilten am Donnerstag
das Landvolk Niedersachsen und die Interessengemeinschaft der
Schweinehalter Deutschlands (ISN) gemeinsam mit. Notwendig sei ein
Maßnahmenbündel, das von der zeitweiligen Aussetzung von
Schlachtobergrenzen, Verlängerung der Arbeitszeit bis zu
vorübergehenden Ausnahmeregeln bei den Platzvorgaben für Tiere
reiche.

Die Schlacht- und Zerlegekapazitäten sind schon seit Wochen aus
Infektionsschutzgründen reduziert. Erschwerend kommen aktuelle
Corona-Infektionen in zwei Großschlachthöfen in Niedersachsen hinzu.
Ein Vion-Schlachthof im Kreis Cloppenburg musste seine Kapazitäten um
gut die Hälfte reduzieren, ein zum Tönnies-Konzern gehörender Betrieb

im Emsland muss zum Wochenende für drei Wochen komplett schließen.
Tönnies hat dagegen Rechtsmittel angekündigt.

Dadurch fehlen für etwa 120 000 Schweine in der Woche die
Schlachtkapazitäten. Beide Betriebe stellten zusammen 40 Prozent der
Schlachtkapazitäten für Schweine in Niedersachsen, sagte
Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast im Landtag in
Hannover. Die Verzweiflung der Tierhalter sei sehr groß.

«Wir werden in den nächsten Wochen ein gravierendes Tierschutzproblem
in vielen Ställen bekommen», sagte Otte-Kinast mit Blick darauf, dass
die Halter keine Abnehmer für ihre Tiere mehr finden. Die Notlage
wird noch durch die Einfuhrverbote für deutsches Schweinefleisch in
vielen Ländern wegen der Afrikanischen Schweinepest verschärft.

Sollten die Schlacht- und Zerlegekapazitäten nicht schnell wieder
aufgestockt werden, könnten zu Weihnachten weit über eine Million
Schweine in den Ställen stehen, sagte ISN-Geschäftsführer Torsten
Staack.

Bauernpräsident Joachim Rukwied forderte, alle Möglichkeiten zu
nutzen, den «Schweinestau» in den Ställen abzubauen. In der «Neuen

Osnabrücker Zeitung» sprach er sich für Wochenendarbeit in den
deutschen Schlachthöfen aus: «Wir brauchen jetzt
Kompromissbereitschaft, um auch Tierwohl weiter gewährleisten zu
können.»

Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hielt
Ausnahmegenehmigungen für Sonn- und Feiertagsarbeit hilfreich: «Ich
sage aber auch ganz klar, dass alles getan werden muss, um einen
weiteren Zuwachs in den Ställen zu verlangsamen.» Am Freitag trifft
sich Klöckner mit ihren Amtskolleginnen aus NRW und Niedersachsen.