Kreis Esslingen ist Corona-«Hotspot» - jetzt drohen neue Auflagen Von Felix Schröder und Martin Oversohl, dpa

Wirklich froh dürfte Landrat Eininger nicht sein über den Titel: Sein
Esslingen ist nun auch offiziell ein Corona-«Hotspot». Das hat Folgen
- für Feiern, für Betriebe und auch für Reisen, die Esslinger
unternehmen wollen.

Stuttgart (dpa/lsw) - Das Tückische an einem Corona-«Hotspot»? Man
weiß, dass er da ist - aber man kann ihn nicht sehen. In Esslingen
ist das so, der Kreisstadt nahe Stuttgart. An den Gemüse- und
Käseständen im Stadtteil Oberesslingen erinnern nur die Maskenträger

daran, dass das Virus derzeit im Kreis stärker auf dem Vormarsch ist
als in anderen Regionen.

Die Region ist seit Mittwoch der erste offizielle
baden-württembergische «Hotspot». «Jeder hat Angst, dass es zu eine
m
zweiten Lockdown kommt. Das will niemand», sagt eine Frau am
Donnerstagmorgen beim Einkauf auf dem Marktplatz. Warum ausgerechnet
der Kreis Esslingen? Das kann sie sich nicht erklären. «In Stuttgart
hocken die Leute auch eng auf eng.» Einige junge Männer aus einer
Berufsbildungsklasse sind ebenfalls ratlos: «Hier feiern die Jungen
genauso viel Party wie in Stuttgart. Daran liegt es nicht», sagt
einer von ihnen.

Angesichts des deutlichen Anstiegs ermahnt Landrat Heinz Eininger die
Menschen in seiner Region: «Die Sorglosigkeit muss jetzt enden»,
sagte er der «Eßlinger Zeitung» (Donnerstag). Die Abstände müsste
n
auch im privaten Umfeld eingehalten werden, sonst würden die Zahlen
rasch weiter steigen.

Am Vortag hatte der Kreis Esslingen als erste Region im Land die
kritische Marke von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb
von sieben Tagen überschritten. Er gilt nun offiziell als einer von
aktuell rund zehn innerdeutschen «Hotspots». Eininger will am
Donnerstag (14.00 Uhr) über konkrete Maßnahmen gegen die weitere
Verbreitung des Virus informieren.

Möglich wären nun unter anderem weitere Auflagen für private Feiern,

Besuchsverbote für bestimmte Einrichtungen und Betriebe sowie eine
Maskenpflicht im öffentlichen Raum. Einschränkungen müssten
«verhältnismäßig» sein. «Wir machen keine globalen Lockdowns, s
ondern
gehen sehr differenziert vor», sagte Eininger.

Allerdings könnte der neue Corona-Wert auch Folgen haben für Reisen,
die aus oder in den Kreis unternommen werden. Denn als Reaktion auf
die steigenden Fallzahlen hatten die Bundesländer am Mittwoch
mehrheitlich beschlossen, dass innerdeutsche Urlauber aus
Risikogebieten nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen
höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorweisen können.
Greifen soll dies in der Regel für Reisende aus Gebieten mit mehr als
50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen - also
nach dem derzeitigen Stand auch für den Kreis Esslingen.

Landrat Eininger führt die steigenden Corona-Zahlen vor allem auf
Reiserückkehrer aus den Balkanstaaten und aus der Türkei zurück, die

das Virus in ihren hier lebenden Familien verbreiteten. Der
baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) sieht
das ähnlich und spricht von einer «besorgniserregenden Entwicklung».

Die Menschen müssten in dieser kritischen Phase achtsamer denn je
sein, da die Lage schnell in eine andere Richtung kippen könne, sagt
er am Donnerstag.

In betroffenen Kreisen und Kommunen dürfen nach dem Erreichen der
sogenannten Eingriffstufe höchstens noch 25 Menschen an privaten
Feiern in öffentlichen oder angemieteten Räumen teilnehmen.
Voraussetzung für diese Stufe ist eine Sieben-Tages-Inzidenz von 50
Fällen pro 100 000 Einwohner in der Region. In privaten Räumen werden
dann nicht mehr als zehn Teilnehmer empfohlen.

Wird in einem Landkreis binnen sieben Tagen die Zahl von 35
Corona-Fällen pro 100 000 Einwohner überschritten, soll die Zahl der
Teilnehmer einer Feier in öffentlichen oder angemieteten Räumen auf
maximal 50 Teilnehmer festgelegt werden. In privaten Räumen werden
dann 25 Teilnehmer empfohlen. Diese regionalen Maßnahmen werden nicht
über die allgemeine Corona-Verordnung des Landes geregelt, sondern
von den Gesundheitsbehörden in den Städten und Kreisen.

Bereits am Montag hatte der Kreis Esslingen die Auflagen für private
Feiern und Zusammenkünfte eingeschränkt, weil die Vorwarnstufe von
mehr als 35 Corona-Neuinfektionen überschritten worden war. Auch
Stuttgart (38,4), Mannheim (37,3) und der Stadtkreis Heilbronn (35,5)
lagen zuletzt über der kritischen Marke von 35 Neuinfektionen.

Mit der Verschärfung folgen die Kreise und Kommunen der Empfehlung
der Bund-Länder-Kommission von Ende September, die insbesondere der
Verbreitung von Infektionen im Rahmen von Feierlichkeiten im
Familien- und Freundeskreis vorbeugen soll.

Die Zahl der nachgewiesenen Coronavirus-Infektionen im ganzen Land
stieg am Mittwoch im Vergleich zum Vortag um 652 Fälle. Insgesamt
haben sich nun 52 222 Menschen nachweislich mit dem Erreger
Sars-CoV-2 angesteckt, wie das Landesgesundheitsamt mitteilte. Die
Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus stieg um vier auf
1898.