Ringen um einheitliche Corona-Reiseregeln - Großstädte im Fokus

Die Politik rät zu Corona-Urlaub in Deutschland. Doch das ist teils
nicht so leicht. Wo man hinfahren und übernachten kann, wo Quarantäne
gilt, ist vielerorts unterschiedlich. Kommt ein bundesweiter Rahmen?

Berlin (dpa) - Mit Blick auf die Herbstferien ringen die Länder um
einheitlichere Corona-Vorgaben für Reisen innerhalb Deutschlands.
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) wandte sich
vor einer Videokonferenz der Staatskanzleichefs am Mittwoch gegen
Beschränkungen zwischen Landesgrenzen, die auch schwierig umzusetzen
seien. Er mahnte im ZDF Eindämmungsmaßnahmen vor allem in Großstädt
en
an: «Die Pandemie wird in den Metropolen entschieden.» Berlins
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) rechtfertigte geplante
Verschärfungen in der Hauptstadt, darunter eine Sperrstunde für die
Gastronomie. Bundesweit steigt die Zahl der Neuinfektionen.

Wegen Quarantäneauflagen für Einreisende aus einigen Kommunen und
Berliner Stadtbezirken mit hohen Infektionszahlen war zuletzt vor
allem Schleswig-Holstein in die Kritik geraten. Auch die Regelung in
Rheinland-Pfalz wirkt ähnlich. Beide Landesregierungen zeigten sich
kompromissbereit, zu einem bundesweit einheitlichen Rahmen zu kommen.
Tschentscher sagte: «Es nützt ja nichts, dass man aus den Hotspots
sozusagen, aus den großen Metropolen nicht ins Umland darf, wenn
umgekehrt Menschen aus den Flächenländern selbstverständlich
natürlich weiterhin in die Metropolen reisen, dort arbeiten, dort zum
Teil eben auch in Clubs und Bars und Restaurants gehen.»

Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) mahnte ein gemeinsames Vorgehen von
Bund und Ländern an. Bei Zweifeln, dass in manchen Gebieten alles
Erforderliche getan werde, verstehe er, dass Länder mit niedrigem
Infektionsgeschehen versuchten, sich vor einer Ausbreitung zu
schützen, sagte Braun der «Bild» (Mittwoch). «Das ist
nachvollziehbar, aber kann nur eine Behelfsmaßnahme sein, die
ihrerseits viele Probleme hervorruft.» Angesichts steigender
Infektionszahlen in einigen Metropolen sei es «jetzt die Aufgabe
dieser Großstädte, schnell so wirksame Maßnahmen zu ergreifen, dass
die Infektionsketten unterbrochen werden».

Zentrales Kriterium beim Krisenmanagement ist, ob es in einer Region
mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen
gibt. Anhand dieser Schwelle stuft die Bundesregierung auch andere
Staaten als «Risikogebiete» für deutsche Urlauber ein. Im Inland
haben Bund und Länder vereinbart, dass ab dieser Marke in «besonders
betroffenen Gebieten» örtliche Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Für die Hauptstadt sagte Senatorin Kalayci im RBB-Inforadio, die
Botschaft laute: «Die Zeit der Geselligkeit ist vorbei. Die Lage
in Berlin ist ernst.» Jeder Einzelne trage Verantwortung, die
Pandemie in den Griff zu bekommen. Ab diesem Samstag müssen Bars,
Restaurants und die meisten Geschäfte in Berlin von 23.00 Uhr bis
6.00 Uhr schließen. Im Freien dürfen sich nachts nur noch fünf
Personen oder Menschen aus zwei Haushalten treffen - drinnen bei
privaten Feiern maximal zehn Leute. Diese Regeln gelten zunächst bis
Ende Oktober.

Bundesweit hat die Zahl der Neuinfektionen wieder einen Höchstwert
seit der zweiten Aprilhälfte erreicht. Innerhalb eines Tages meldeten
die Gesundheitsämter 2828 neue Fälle, wie das Robert Koch-Institut
(RKI) am Mittwochmorgen bekanntgab. Das sind über 150 mehr als am
Freitagmorgen, als mit 2673 Neuinfektionen innerhalb eines Tages der
damalige Höchstwert seit der zweiten Aprilhälfte gemeldet worden war.