Verlobter im Fall Baumer wegen Mordes verurteilt - «Lust an der Lüge» Von Ute Wessels, dpa

Er hat die Tat stets von sich gewiesen - nun ist im Fall Maria Baumer
der Verlobte wegen Mordes verurteilt worden. Das Motiv ist
erschütternd: Der Krankenpfleger hatte sich in eine Patientin
verliebt und wollte dafür seine Verlobung nicht auflösen müssen.

Regensburg (dpa/lby) - Acht Jahre nach dem gewaltsamen Tod Maria
Baumers ist das Urteil vor dem Landgericht Regensburg gesprochen: Der
Verlobte der 26-Jährigen ist des Mordes schuldig und am Dienstag zu
einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Die Richter sind
davon überzeugt, dass der 36-Jährige für eine Beziehung mit einer
Patientin frei sein wollte. Heimtückisch und aus niederen
Beweggründen tötete der Krankenpfleger demnach seine Verlobte mit
Medikamenten und vergrub die Leiche in einem Wald. Danach erschuf der
Mann geradezu «lustvoll», wie es Vorsitzender Richter Michael Hammer
formulierte, ein Lügengebilde, um die Angehörigen zu täuschen.

Es war niemand sonst dabei, als Maria Baumer in der Nacht zum 26. Mai
2012 starb - außer ihr Verlobter. Aus Sicht der Schwurgerichtskammer
steht nach einem dreimonatigen Indizienprozess - in dem sie akribisch
Aussagen von Zeugen und Sachverständigen, Auswertungen von Handy- und
Computerdaten sowie Spuren an der Leiche und an der Grube im Wald
analysierte - fest, dass die Frau die Mischung aus Lorazepam und
Tramadol nicht bewusst selbst eingenommen hat. Der 36-Jährige habe
sie ihr verabreicht - vermutlich in einem Kakao - mit dem Ziel, sie
zu töten. «Sie war so arg- und wehrlos wie ein Mensch nur sein kann.»


Es lasse sich nicht eindeutig feststellen, dass die Frau an den
Medikamenten starb, sagte Hammer. Falls sie lediglich betäubt gewesen
sein sollte, geht die Kammer von anschließendem Erwürgen oder
Ersticken der Frau aus. In den Wochen vor Baumers Tod hatte ihr
Verlobter im Internet unter anderem nach Begriffen wie «der perfekte
Mord», «Würgegriff», «kann man an Überdosis Blutdrucksenker ste
rben»
gesucht. Zudem kaufte er einen Spaten in einem Baumarkt.

Das Motiv für die Tat, so die Kammer: Der Angeklagte habe eine
Trennung vermeiden wollen. Sonst hätte er seiner Familie und den
Angehörigen Baumers gegenüber zugeben müssen, dass er sich während

der Vorbereitungen für die Hochzeit einer anderen Frau zugewandt und
zudem das Studium vernachlässigt hatte. Diesen «Gesichtsverlust» habe

der Mann unbedingt verhindern wollen. Sein Ziel sei gewesen, sich in
Zukunft seiner Patientin zuzuwenden, die «zum Mittelpunkt seines
Lebens geworden war. Ihr stand Maria im Weg». Sein Verhältnis zu der
jungen Frau sei geradezu obsessiv gewesen, sie habe die Gefühle
jedoch nicht erwidert.

Die Tötung Marias habe dem Mann überdies die Möglichkeit geboten,
selbst die Rolle eines Opfers einzunehmen. Durch das Verschwinden
«der Liebe seines Lebens» habe er sich die Anteilnahme und die
Aufmerksamkeit der Angehörigen und auch der jungen Patientin
gesichert. Es sei keine Spontantat gewesen. Um zu verhindern, dass
die Leiche gefunden und die Lüge auffliegen würde, habe der Mann
nicht davor zurückgeschreckt, sie mit Branntkalk zu bestreuen, so
dass sie sich teilweise verseifte und verflüssigte.

Bemerkenswert sei auch der Auftritt des Verlobten in der ZDF-Sendung
«Aktenzeichen xy ... ungelöst» wenige Monate nach dem Tod Baumers
gewesen, sagte der Vorsitzende Richter. Dort habe sich dieser in
Szene gesetzt, in einer Kirche eine Kerze angezündet und behauptet,
das Studium auf Eis gelegt zu haben, weil er sich nach dem
Verschwinden seiner Verlobten nicht mehr konzentrieren könne. Er sei
«weitgehend scheinfrei», was auch gelogen war.

Sämtliche Aussagen des Angeklagten im Laufe des Prozesses könnten nur
dann herangezogen werden, wenn sie durch anderweitige Beweise
gestützt würden, sagte Hammer. Der Mann hatte sich durch seine
zahlreichen Lügen unglaubwürdig gemacht. Er schrecke nicht einmal
davor zurück, ihm nahestehende Menschen, die ein vertrauensvolles
Verhältnis mit ihm pflegten, «systematisch hinters Licht zu führen»
.
Und die Beseitigung der Leiche habe der Angeklagte lediglich
angesichts der «erdrückenden Beweislage» gestanden.

Das Fazit des Vorsitzenden Richters: «Maria Baumer hat die
Medikamente nicht selbst genommen.» Es sei auszuschließen, dass sie
ihr von Dritten beigefügt worden seien. «Es kommt nur der Angeklagte
in Betracht.» Dieser habe über seine Arbeitsstelle Zugang zu den
Medikamenten gehabt.

Die Leiche Baumers war im September 2013 von Pilzsammlern in einem
Wald gefunden worden. Der Verlobte galt damals bereits als verdächtig
und saß sechs Wochen in Untersuchungshaft. Aufgrund neuer
Ermittlungsergebnisse wurde er im Dezember 2019 erneut festgenommen.

Nun ist das Urteil gesprochen: lebenslange Freiheitsstrafe wegen
Mordes. Die Richter stellten zudem die besondere Schwere der Schuld
fest. Der Angeklagte, dem bei der Verkündung sein Bruder zur Seite
stand, verfolgte die Ausführungen des Richters mit regungslosem
Gesicht. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Einer der
Verteidiger kündigte an, in Revision gehen zu wollen.