Erste Gesundheits-Apps auf Kassenkosten gestartet

Rund um die Gesundheit soll mehr und mehr digital möglich werden -
aber mit geprüften Anforderungen. Für bestimmte Helfer auf dem Handy
läuft das nun an. Neben Chancen sehen manche auch kritische Punkte.

Berlin/Bonn (dpa) - Als zusätzliches Angebot für Patienten gehen
schrittweise Gesundheits-Apps auf Kassenkosten an den Start. Die
ersten beiden Anwendungen sind jetzt in einem neuen Verzeichnis
erstattungsfähiger Angebote aufgeführt, wie das Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte am Dienstag in Bonn mitteilte. Es
handelt sich um eine App für eine Tinnitus-Therapie und eine
Anwendung, die Patienten mit Angststörungen unterstützen soll.
Weitere Angebote sollen folgen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, das Verzeichnis
solle für Ärztinnen und Ärzte zu einem «Digital-Lexikon» werden,

indem sie verordnungsfähige Anwendungen finden können. «Die Wirkung
dieser digitalen Hilfsmittel wird genau überprüft. Deswegen wächst
diese Liste nur langsam auf.» Trotzdem sei sie eine «Weltneuheit» und

Deutschland das erste Land, in dem es Apps auf Rezept gebe.

Diese Möglichkeit gilt für bestimmte Apps - zum Beispiel Anwendungen,
die beim regelmäßigen Einnehmen von Medikamenten helfen, oder
digitale Tagebücher für Patienten. Dafür ist beim Bundesinstitut eine

rasche Zulassung vorgesehen, wie es ein seit vergangenem Jahr
geltendes Gesetz festlegt. Ist eine App in dem Verzeichnis gelistet,
übernehmen die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) ein Jahr lang
vorläufig die Kosten - Ärzte können die Apps dann auch verschreiben.


Die Kassen betonten, digitale Anwendungen hätten «großes Potenzial»
,
entscheidend sei aber ein echter medizinischer Mehrwert. «Was die
Solidargemeinschaft finanziert, muss Hand und Fuß haben», sagte
Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband. Dies schütze
Nutzer vor «verkappten Lifestyle-Apps». Problematisch seien die
Finanzierungsregeln. Sobald eine neue Anwendung im Verzeichnis sei,
müssten die Kassen ein Jahr lang «jeden beliebigen Preis zahlen, den
sich der Hersteller ausgedacht hat». Erst nach einem Jahr gelte dann
das Ergebnis von Preisverhandlungen. Hier bestehe die große Gefahr,
dass aus den Portemonnaies der Beitragszahler ein Jahr lang mehr
bezahlt werden müsse, als eine neue App tatsächlich wert sei.

Derzeit sind beim Bundesinstitut 21 Anwendungen in der Prüfung, für
etwa 75 Anwendungen wurden Beratungsgespräche mit Herstellern
geführt. Somit sollen «kurzfristig weitere Anwendungen in die Prüfung

und ins Verzeichnis kommen», wie die Behörde erklärte. Die Bewertung

neuer Apps ist binnen drei Monaten möglich. Überprüft werden dabei
den Angaben zufolge unter anderem Anforderungen an Sicherheit,
Funktionstauglichkeit und Datenschutz. Die Hersteller müssen einen
positiven Effekt für die Versorgung nachweisen - notfalls innerhalb
einer Erprobungsphase von bis zu einem Jahr.

Die Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink kritisierte, die
aktuelle Regelung stelle den Nutzen für die Patienten in den
Hintergrund. «Sie gleicht mehr einer Wirtschaftsförderung auf Kosten
der gesetzlich Versicherten.» Es gebe im Bundesinstitut viel zu wenig
Stellen, um den Nutzen und Datenschutzvorgaben gründlich zu prüfen.
«Im Extremfall könnten wirkungslose Anwendungen zwei Jahre lang mit
Beitragsmitteln der gesetzlich Versicherten bezahlt werden.»