Debatte um Alltagsmasken - FDP-Fraktionschef hält sie für untauglich

Hans-Ulrich Rülke hat gleich mehrere Masken zur Hand, wenn er
unterwegs ist. Meist stecken sie in der Jackettasche - auch wenn er
nicht so richtig an den Virenschutz glaubt. Der FDP-Politiker hält
andere Tipps für sinnvoller - und stößt damit auf Kritik.

Stuttgart (dpa/lsw) - Trotz der strikten Auflagen und allgemeinen
Akzeptanz hält FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke Masken für wenig
tauglich im Kampf gegen das Coronavirus. «Ich glaube, wenn man
Abstand hält, wenn man auf Hygiene achtet mit Händewaschen sowie
Desinfektionsmitteln und dann noch ordentlich lüftet, dann eignet
sich das mehr als eine Alltagsmaske», sagte Rülke der Deutschen
Presse-Agentur. Allerdings machten die Masken auf das Corona-Risiko
aufmerksam, das es nach wie vor gebe, räumte der FDP-Politiker ein.

Er glaube war an den Nutzen der partikelfiltrierenden sogenannten
FFP2-Schutzmasken. Nicht überzeugt sei er dagegen von der
medizinischen Wirksamkeit des alltäglichen Mund- und Nasenschutzes,
außerdem sei dieser «ein Handelskiller für den Einzelhandel». Denno
ch
rechne er nicht damit, dass die Maskenpflicht auf absehbare Zeit
aufgehoben werde, sagte Rülke. Zunächst müssten die meisten Menschen

in Deutschland einen Zugang zu einem - künftigen - Impfstoff
bekommen.

Mit seinen Äußerungen erntete Rülke Unverständnis vor allem bei
Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). Der FDP-Fraktionschef habe
offensichtlich den Ernst der Lage nicht erkannt, kritisierte dieser.
«Es bleibt dabei: Masken bieten einen wirksamen Schutz gegen eine
Ansteckung mit dem Coronavirus.» In Frankreich, Spanien und Italien
gebe es wieder lokale sogenannte Lockdowns. «Das will keiner von uns.
Im Verhältnis dazu ist das Tragen einer Alltagsmaske nun wirklich
zumutbar», sagte Lucha.

In Baden-Württemberg muss ein Schutz in Bussen und in Bahnen ebenso
getragen werden wie in Geschäften und Einkaufszentren, beim Friseur,
in Arztpraxen und an Schulen außerhalb des Unterrichts, von Fahr- und
Flugschülern. Seit Anfang Oktober gilt die verschärfte Maskenpflicht
auch in Gaststätten, Restaurants, Bars oder Kneipen, wenn sich Gäste
nicht am Platz befinden - zum Beispiel auf dem Weg zum Tisch, zur
Toilette oder zum Buffet.

Den Träger selbst schützt eine Alltagsmasken nach bisheriger Kenntnis
nur vor größeren Tröpfchen. Außerdem verhindert sie, dass man sich

unbewusst mit schmutzigen Händen an Mund oder Nase fasst. Nach
Einschätzung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung tragen

Alltagsmasken aber dazu bei, andere Menschen zu schützen. «Die
Mund-Nasen-Bedeckung hält vor allem größere Tröpfchen zurück»,
heißt
es bei den Gesundheitsexperten. Am besten sei es aber, stets einen
Mindestabstand von 1,50 Meter zu anderen Menschen einzuhalten.

Das sieht die Landesärztekammer ähnlich. Aktuell gebe es keinen
Anlass zur Kritik an Alltagsmasken, teilte die Kammer mit. Sie seien
ein wichtiger Baustein des sogenannten AHA-Konzepts («Abstand halten
- Hygiene beachten - Alltagsmaske»). «Die Landesärztekammer
unterstützt daher die geltenden Regeln, darunter die
Corona-Verordnung des Landes, in der explizit die Verpflichtung zum
Tragen von Alltagsmasken auch in Arztpraxen geregelt ist», sagte ein
Ärztesprecher.

Der FDP-Fraktionschef will mit seiner Partei zudem einen weiteren
flächendeckenden Lockdown strikt ablehnen. «Wir müssen den weiteren
Verlauf der Corona-Pandemie regional und lokal bekämpfen», sagte er.
«Generell verschärfende und landesweite Maßnahmen tragen wir nicht
mehr mit.» Wichtig seien örtlich beschränkte Auflagen, sollte es in
einigen Gebieten ein stärkeres Infektionsgeschehen geben. Es sei
nicht sinnvoll, bei einer eskalierenden Zahl von Infektionen in
Flensburg einen Lockdown in Konstanz zu veranlassen.

Die Landesregierung dürfte sich bei Entscheidungen über Auflagen und
Lockerungen nicht allein an der Zahl der Infektionen orientieren,
forderte Rülke. «Zahlen können nur ein Parameter sein», sagte er.
«Das entscheidende Kriterium ist, dass unser Gesundheitssystem nicht
an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit kommt.» Neben der Zahl der
positiv getesteten Menschen müsse die Situation in den
Intensivstationen der Krankenhäuser ebenso in den Blick genommen
werden wie die Zahl der schweren Fälle und der Umfang der betroffenen
Region.

Überschreiten ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt den von Bund
und Ländern vereinbarten Grenzwert von 50 Corona-Neuinfektionen auf
100 000 Einwohner binnen einer Woche, wird eine «Notbremse» mit
strengeren Beschränkungen für die Region gezogen. Die Obergrenze
wurde von Bund und Ländern vereinbart, um unkontrollierte
Corona-Ausbrüche zu vermeiden.