Mann mit Masken: Dirk Dautzenberg ist Corona-Beauftragter beim Film Von Iris Leithold, dpa

Die Corona-Pandemie lässt neue Jobs entstehen. Einer davon ist der
Corona-Beauftragte am Filmset.

Schwerin (dpa) - «Film ab!» Während die Kamera an einem
mecklenburgischen See dem Hauptdarsteller dabei zusieht, wie er mit
seinem Film-Kontrahenten über das verflossene halbe Leben streitet,
stecken Regisseur und Produktionsmitarbeiter am Kontrollbildschirm
die Köpfe zusammen. Etwas im Hintergrund, nur scheinbar entspannt und
jederzeit zum Eingreifen bereit, steht ein Mann mit einem Bündel
OP-Masken in der Hand: Dirk Dautzenberg, ein ausgebildeter
Notfallsanitäter aus Hamburg. Er raunt: «Bitte Abstand halten oder
eine Maske anlegen.»

Seit Filmproduktionen in Deutschland wieder angelaufen sind, wird
Dautzenberg als Corona-Beauftragter gebucht. Er hat damit einen Job,
den es nur in der Pandemie gibt. Dautzenberg soll verhindern, dass
sich am Set Covid-19-Infektionen ausbreiten und so die Produktion in
Gefahr bringen. Denn auch bei Dreharbeiten gilt: Bricht Corona aus,
müssen alle Kontaktpersonen in Quarantäne. Ein Abbruch der
Dreharbeiten könnte die Folge sein.

Doch Abstand halten vor und hinter der Kamera, geht das überhaupt?
«In einigen Fällen konnten Drehbücher umgeschrieben und angepasst
werden, so dass die Produktionen ins Freie verlegt wurden», sagt
Christian Sprotte von der zuständigen Berufsgenossenschaft Energie,
Textil, Elektro, Medienerzeugnisse (kurz: BG Betem). Mit Sorge blickt
er auf den bevorstehenden Herbst und Winter - dann werde die
Situation mit Sicherheit schwieriger als im Sommer. «Nicht nur
Dreharbeiten müssen dann in geschlossenen Räumen stattfinden, sondern
auch der Aufenthalt des Teams am Set wird sich mehr nach drinnen
verlagern.»

Die Berufsgenossenschaft hat eine achtseitige Handlungshilfe für
Filmproduktionen erarbeitet und Sprotte ist der Überzeugung: «Werden
die in der Handlungshilfe beschriebenen Schutzmaßnahmen strikt
eingehalten, sollte auch im Herbst und Winter ohne Probleme gedreht
werden können.» Zentral ist demnach auch bei Film und Fernsehen der
Mindestabstand von eineinhalb Metern zwischen zwei Menschen oder das
Tragen von Schutzmasken. Soll vor der Kamera geküsst werden, wie im
Mai beim Dreh der ZDF-Serie «Kreuzfahrt ins Glück» in Heiligendamm an

der Ostsee, muss sich der Regisseur etwas einfallen lassen. In dem
Fall wurden die küssenden Darsteller so ausgesucht, dass sie auch im
Privatleben Paare sind.

Bislang ist der BG Betem bei drei Produktionen jeweils eine
Corona-Infektion bekannt geworden, wie Sprotte sagt. «Auf Grund der
umgesetzten Hygienekonzepte konnten die infizierten Personen
frühzeitig erkannt und entsprechende Schutzmaßnahmen festgelegt
werden, so dass sich keine weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
infiziert haben.» In Abstimmung mit den jeweiligen Gesundheitsämtern
konnten die Produktionen weitergeführt werden.

Die Berufsgenossenschaft empfiehlt auch technische Tricks, um Nähe zu
suggerieren, wenn diese wegen der Corona-Abstandsregeln nicht
herzustellen ist. Möglich sei zum Beispiel das Verkürzen der
optischen Abstände durch lange Brennweiten oder eine verstärkte
Nutzung der digitalen Nachbearbeitung, heißt es in der Handlungshilfe
für Filmproduktionen.

Dautzenberg hat bei dem Filmdreh am mecklenburgischen Seeufer nicht
allzu viel zu tun. Das Team ist eingespielt und das Areal weitläufig.
Auch hinter den Kameras, zwischen dem Campinghänger der
Maskenbildnerin und dem Kantinenwagen ist viel Platz. Die
Filmproduktion hat sich auf Corona eingestellt: Gedreht wird mit
kleiner Mannschaft und viel im Freien.

Dautzenberg ist ausgebildeter Rettungssanitäter und betreibt in
Hamburg die Agentur «Sani for Set», die Filmproduktionen in
medizinischen Fragen berät. Er checkte schon Drehbücher der ZDF-Serie
«Notruf Hafenkante» auf medizinische Richtigkeit - «damit es auch
authentisch ist», wie er sagt - und vermittelt professionelle Retter
als Kleindarsteller an Produktionen. Seit jede Filmproduktion einen
Corona-Beauftragten braucht, könne er sich vor Anfragen kaum retten,
sagt er.

Corona hat die Filmbranche in diesem Jahr empfindlich gestört. «Viele
Produktionen werden im Winter geplant, im Frühjahr wird besetzt und
die Location gesucht und im Sommer gedreht», sagt Michael Segebarth
von der Film Commission Mecklenburg-Vorpommern, die Produktionen im
Nordosten unterstützt - etwa bei der Suche nach passenden Motiven.
«Im Juni wusste man aber immer noch nicht so richtig, unter welchen
Bedingungen größere Drehs möglich sind.»

Fernsehproduktionen seien schnell wieder am Start gewesen, im
Nordosten etwa «Soko Wismar», «Praxis mit Meerblick» oder «Ella
Schön». Bei großen Kinoproduktionen hapere es dieses Jahr hingegen am

Drehort MV. Als Beispiel nennt er die Arbeiten zu «Muxmäuschenstill
2». «Die wollten längst fertig sein», sagt Segebarth. Jetzt seien d
ie
Arbeiten in den Winter geschoben worden, der Dreh nun für Februar
2021 geplant.