Israel im zweiten Corona-Lockdown - Neue Einschränkungen in Kraft
Den Vorabend des zweiten landesweiten Lockdowns nutzen viele Israelis
noch rasch für einen Bar- oder Restaurantbesuch. Damit ist es von
Freitag an erstmal vorbei. Die Polizei will mit einem Großaufgebot
darauf achten, dass die neuen Regeln eingehalten werden.
Tel Aviv (dpa) - Nach Rekordzahlen will die israelische Regierung mit
einem zweiten landesweiten Lockdown die Ausbreitung des Coronavirus
in dem Land eindämmen. Seit Freitagnachmittag müssen sich die
Israelis mit Einschränkungen arrangieren. Schulen und Kindergärten
bleiben geschlossen, auch Hotels und Einkaufszentren machen zu,
Strandbesuche sind untersagt. Die Menschen dürfen sich nur in
Ausnahmefällen - wie etwa dem Weg zur Arbeit oder zu Demonstrationen
- weiter als 1000 Meter von ihrem Zuhause entfernen, Fahrten zwischen
einzelnen Städten sind verboten. Auch Besuche in anderen Haushalten
sind untersagt. Dagegen sind Lebensmitteleinkäufe und Arztbesuche wie
auch Individualsport erlaubt.
Die Maßnahmen treten vor wichtigen jüdischen Feiertagen wie Rosch
Haschana, dem jüdischen Neujahrsfest, und Jom Kippur, dem höchsten
jüdischen Feiertag, in Kraft. Sie sollen vorerst für drei Wochen
gelten.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu stellte bereits eine
Verschärfung in Aussicht. Die Opposition hält seiner Regierung wegen
des erneuten Lockdowns Versagen vor. Die Corona-Krise hat der
Wirtschaft des Landes bereits schwer zugesetzt.
Viele Länder haben zuletzt mit regionalen Maßnahmen auf wieder
gestiegene Corona-Zahlen reagiert. Mit seinen landesweiten Schritten
ist Israel weltweit ein Vorreiter.
Israels Regierung hatte bereits im Frühjahr einen Lockdown verhängt,
um die Pandemie einzudämmen. Damit erzielte sie Erfolge. Im Mai lag
die Zahl der täglichen Neuinfektionen lange im zweistelligen Bereich.
Nach Lockerungen stiegen die Zahlen jedoch wieder an. Experten warfen
der Regierung vor, Maßnahmen wie Schulschließungen zu früh aufgehoben
und das Land unzureichend auf eine zweite Corona-Welle vorbereitet zu
haben. Die Regierung wiederum appellierte immer wieder an die
Menschen, sich an Vorschriften wie das Tragen von
Mund-Nase-Bedeckungen und Abstandsregeln zu halten.
Die Zahl der täglichen Neuinfektionen war in Israel zuletzt auf
Rekordwerte geklettert. Sie lag deutlich über der Zahl in Deutschland
- wobei Deutschland etwa neunmal so viele Einwohner hat. Die
Sterblichkeit blieb in Israel im Vergleich zu anderen Ländern gering.
Oppositionsführer Jair Lapid sagte zuletzt, die Bürger würden
bestraft, weil die Regierung versagt habe. «Dieser Lockdown ist ein
Fehler, er ist ein Desaster.» Die Arbeitslosenquote lag im Sommer bei
mehr als 20 Prozent. Wöchentlich gab es Proteste gegen Netanjahu,
auch wegen dessen Corona-Politik.
Die Regierung will mit dem Lockdown einen Ausgleich schaffen zwischen
gesundheitlichen und ökonomischen Zwängen. Ziel ist, eine Überlastung
des Gesundheitssystems zu verhindern. Unklar blieb, inwieweit die
Bevölkerung den Regeln Folge leisten wird.
Kurz nach Beginn des Lockdowns waren im Zentrum von Tel Aviv die
meisten Restaurants und Cafés geschlossen. Medien zufolge sollen 6000
Polizisten die Einhaltung der Regeln durchsetzen, unterstützt von
1000 Soldaten.
Vom jüngsten Anstieg der Infektionszahlen sind arabische und
ultraorthodoxe jüdische Wohnviertel am stärksten betroffen. Dort
leben häufig größere Familien auf engem Raum zusammen, so dass
Infektionsketten nur schwer unterbrochen werden können.