Rennen um Corona-Impfstoff: Fresenius-Chef kritisiert Alleingänge

Bad Homburg (dpa) - Fresenius-Chef Stephan Sturm hat nationale
Alleingänge im Rennen um Corona-Impfstoffe kritisiert. «Was mir
besonders große Sorgen macht, ist, dass angesichts des Wettlaufs
vielerorts offenbar der Versuchung nicht widerstanden wird,
Abkürzungen zu nehmen», sagte Sturm dem «Handelsblatt» (Freitag).

Vielerorts würden Regeln gebogen, sagte der Manager. So wurde in
Russland der weltweit erste Corona-Impfstoff für die breite
Bevölkerung zugelassen, obwohl wichtige Tests fehlten. Und
US-Präsident Donald Trump hat davon gesprochen, dass es bereits rund
um die Wahl am 3. November einen Impfstoff geben könnte. Eine
reguläre Zulassung bis dahin ist de facto aber unmöglich.

Man wisse längst nicht alles über das Virus und nichts über
Spätfolgen, schon gar nicht von Impfstoffen, sagte Sturm. «In so
einem Fall halte ich es für höchst fragwürdig, Abstand von erprobten

Regelungen zu nehmen, wenn es um die Zulassung von Impfstoffen und
Medikamenten geht - Pandemie hin oder her.»

Sturm kritisierte erneut die Corona-Politik der Bundesregierung. «Wir
haben uns in Deutschland nur darauf konzentriert, die Zahl der
Corona-Toten zu minimieren. Das ist ein gutes Ziel. Aber es gibt
andere Krankheiten, die man nicht vergessen darf: Krebs,
Schlaganfall, Herzinfarkt - die gehen ja nicht weg, nur weil Corona
da ist.»

Dieser «einseitige Blick» habe die ganze Gesellschaft stark belastet:
«Ein verlorenes Jahr für viele Schüler, Verwahrlosung von Kindern in

prekären Situationen, eine Rekordzahl von psychiatrischen Fällen in
unseren Krankenhäusern. Diese Kollateralschäden darf man nicht
einfach ausblenden, nur weil sie nicht so leicht messbar sind wie die
täglichen Corona-Toten.»

Die Corona-Krise hat Fresenius im Klinik-Geschäft stark belastet: Da
die Pandemie hierzulande glimpflich verlief, standen viele
Intensivbetten leer. Zuwendungen des Bundes konnten fehlende
Einnahmen aus aufgeschobenen Operationen nur abmildern.