Inkluencer statt Influencer: Nach Amputation zum Extremsport Von Carolin Gißibl, dpa

Der beschwerliche Weg von Maximilian Schwarzhuber endet, als er sich
beide Unterschenkel amputieren lässt. Doch keine Füße zu haben, häl
t
den Sportler nicht auf.

Wolznach (dpa) - Es war Valentinstag 2017, als sich das Leben von
Maximilian Schwarzhuber komplett änderte: Gegen 7 Uhr morgens ließ
sich der damals 24-Jährige seine Unterschenkel amputieren,
freiwillig. Er entschied sich für diesen Schritt ohne zu wissen, wie
es nach der Amputation weitergehen wird - ob er je wieder laufen kann
oder für immer im Rollstuhl sitzt.

Der schmerzhafte Weg begann für den gebürtigen Wolnzacher (Landkreis
Pfaffenhofen) im Alter von zwei Jahren, als er aus einem
Mittagsschlaf aufwachte - mit einer Querschnittslähmung.

Für die Eltern ein Schock, der noch heute tief sitzt, wie Maximilians
Mutter erzählt. Sie war damals schwanger. «Uns wurde gesagt, er hab
e
einen Tumor. Erst nach sechs Wochen im Krankenhaus wussten wir, was
wirklich los war.» Die Diagnose: Guillain-Barré-Syndrom - eine
entzündliche Krankheit der Nerven, die zu Lähmungserscheinungen
führt. Vermutlich ausgelöst durch eine Impfung.

Während andere Kinder draußen umhertoben, muss Maximilian seine Fü
ße
schonen. «Das war die reinste Folter damals», sagt er. Immer wieder
sitzt er im Rollstuhl, immer wieder wird er deswegen in der Schule
gemobbt. «Mein Traum war morgens aufzustehen und loszulaufen.»

Doch seine Füße spürt er kaum, merkt weder offene Wunden noch die
Brüche an beiden Sprunggelenken. Die Schmerzen spürt er erst, als sie
sich zu den Knien hochgefressen haben. «Zuletzt sah ich aus wie eine
lebende Leiche.» Der beschwerliche Weg endet für Maximilian nach der

Amputation seiner Unterschenkel.

Damit sich das Leben nicht mehr anfühle wie ein Kampf, habe er sich
für diesen Schritt in die Ungewissheit entschieden, sagt der
mittlerweile 28-Jährige. «Nach der Amputation wusste ich, es gibt nur
noch eine Richtung und die ist vorwärts.»

Vier Tage nach der Operation begann er zu trainieren, rannte nach 136
Tagen einen 10-Kilometer-Lauf in 68 Minuten, danach seinen ersten
Halbmarathon, einen Triathlon auf der olympischen Distanz, unter drei
Stunden und im Oktober 2019 seinen ersten Marathon.

Heute strahlt der Oberbayer als Motivationstrainer auf der Bühne,
seine kurzen Haare sind leicht zur Seite gegelt, die schwarzen
Carbon-Prothesen unter der kurzen Lederhose gut sichtbar. Mit ihnen
ist er 1,85 Meter groß, wie auch zuvor. Auf Facebook hat er über 2000

Abonnenten, auf Youtube einen Podcast namens «Beinfreiheit».

Von der Aktion Mensch wird der Oberbayer «Inkluencer» genannt, weil
er sich in sozialen Netzwerken für Inklusion einsetzt. «Inkluencer»
sind «Botschafter mit persönlichem Background», die sich auf sozialen

Medien für das selbstverständliche Miteinander aller Menschen
einsetzen, definiert die Initiative den Begriff.

Auf einem Social-Media-Account postete er ein Foto, das ihn auf einem
Stuhl zeigt, neben ihm stehen die Prothesen. «Heute stehe ich wieder
völlig neben mir», schreibt er dazu. Auf einem anderen Bild öffnet er

mit einer Prothese ein Bier - Schlagwort: «Zweckentfremdung». Auf
Youtube beantwortet der 28-Jährige selbstbewusst Fragen wie «Wo sind
deine Füße jetzt?» oder «Wie hast du Sex?»

Maximilian möchte Hemmungen abbauen. Denn viele Leute wüssten nicht,

wie sie sich gegenüber Menschen mit Handicap verhalten sollen. Was
trotz Handicap möglich ist, zeigt er bei seinen sportlichen Aktionen.
Sein neustes Ziel sei es, einen Weltrekord zu brechen: im Foilen mit
einem Katamaran am Bodensee.

Auch für Menschen, denen eine Amputation bevorsteht oder die
plötzlich, zum Beispiel nach einem Unfall, ein oder mehrere
Gliedmaßen verloren haben, möchte er eine Stütze sein. «Im Gegensat
z
zu ihnen war es für mich kein Trauma. Ich habe mich auf die
Amputation vorbereiten können», sagt er.

Vor allem möchte er aber durch seine Seminare Menschen helfen, ein
erfülltes Leben zu führen. Und irgendwann will er beim Ironman auf
Hawaii mitmachen. Denn Maximilian sagt: Es sind nicht die Beine, die
uns bewegen - es ist unser Wille, der uns antreibt.