Zweiter Lockdown in Israel - Neue Restriktionen treten in Kraft

Israels Regierung greift in der Corona-Pandemie wieder zu strikten
Maßnahmen. Präsident Rivlin bittet das Volk eindringlich um
Unterstützung. Die Opposition erachtet einen Lockdown jedoch als zu
hart. Der zweite Lockdown ist für sie ein «Desaster».

Tel Aviv (dpa) - Die israelische Regierung will mit einem zweiten
landesweiten Lockdown eine weitere Ausbreitung des Coronavirus
verhindern. Von Freitagnachmittag (14.00 Uhr Ortszeit/13.00 Uhr MESZ)
an müssen sich die Menschen in dem Mittelmeerstaat erneut mit starken
Einschränkungen arrangieren. Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen und

Ladenschließungen sollen mindestens drei Wochen gelten.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte am Donnerstagabend,
angesichts der hohen Infektionszahlen der letzten Tage könnte eine
weitere Verschärfung der Maßnahmen notwendig werden. «Ich werde nicht

zögern, zusätzliche Beschränkungen zu verhängen, falls die
Notwendigkeit besteht», sagte er.

Viele Länder haben mit lokalen Maßnahmen auf wieder gestiegene
Corona-Zahlen reagiert. Israel ergreift nun aber landesweite
Maßnahmen und ist damit weltweit ein Vorreiter.

Die Opposition kritisiert den Corona-Kurs der Regierung und den
zweiten Lockdown scharf. Die Krise hat der Wirtschaft des Landes
bereits schwer zugesetzt. Die Arbeitslosigkeit lag im Sommer bei mehr
als 20 Prozent. Oppositionsführer Jair Lapid sagte zuletzt, die
Bürger würden bestraft, weil die Regierung versagt habe. «Dieser
Lockdown ist ein Fehler, er ist ein Desaster.»

Israels Regierung hatte bereits im Frühjahr einen Lockdown verhängt,
um die Pandemie einzudämmen. Damit erzielte sie Erfolge; nach
Lockerungen stiegen die Zahlen jedoch wieder. Zuletzt kletterte die
Zahl der täglichen Neuinfektionen wiederholt auf Rekordwerte. Im Mai
lagen sie lange im zweistelligen Bereich.

Während des zweiten Lockdowns sollen nun Schulen und Kindergärten
geschlossen bleiben. Auch Hotels, Einkaufszentren sowie
Freizeitstätten und Strände müssen schließen. Restaurants dürfen
nur
noch außer Haus verkaufen. Lebensmitteleinkäufe und Arztbesuche sind
aber weiterhin erlaubt. Die Menschen dürfen sich aber nur noch in
Ausnahmefällen weiter als 1000 Meter von ihrem Zuhause entfernen.

Unklar blieb, in welchem Umfang sich die Bevölkerung an die Regeln
halten wird. Im Lockdown-Zeitraum liegen mit Rosch Haschana und Jom
Kippur wichtige Feiertage. Wöchentlich gab es zudem zuletzt Proteste
gegen die Corona-Politik von Ministerpräsident Netanjahu.
Verteidigungsminister Benny Gantz kündigte an, die Armee werde die
Polizei mit 1000 Soldaten bei der Durchsetzung der Maßnahmen
unterstützen.

Präsident Reuven Rivlin rief die Bürger Israels zu Einigkeit und zu
einer gemeinsamen Kraftanstrengung auf. «Wir müssen alles tun, um
unter unseren Mitbürgern persönliches, medizinisches und ökonomisches

Vertrauen wiederherzustellen», sagte er in einer im Fernsehen
ausgestrahlten Ansprache an die Nation. «Dies ist eine zweite Chance,
und wir müssen sie nutzen, weil wir, so fürchte ich, keine dritte
bekommen werden.»

Der bisherige Höchststand an täglichen Neuinfektionen war mit 5523
für vergangenen Dienstag registriert worden. Diese Zahl lag in dem
Land zuletzt deutlich höher als in Deutschland - und Deutschland hat
neunmal so viele Einwohner wie Israel. Vom jüngsten Anstieg der
Zahlen sind arabische und ultraorthodoxe jüdische Wohnviertel am
stärksten betroffen. Dort leben häufig größere Familien auf engem
Raum zusammen, so dass Infektionsketten nur schwer unterbrochen
werden können.