Helium-Alligator und Narzissten-Augenbrauen: Ig-Nobelpreise verliehen Von Christina Horsten, dpa

Die schrillen Ig-Nobelpreise mit viel Klamauk sind längst Kult. Wegen
Corona wurde die Gala nun ausgerechnet zum 30. Jubiläum erstmals im
Internet abgehalten. Kuriose Forschung von Narzissten-Augenbrauen bis
Angst vor Kau-Geräuschen gab es natürlich trotzdem.

Boston (dpa) - Narzissten-Augenbrauen, Insektenforscher mit Angst vor
Spinnen und ein Helium inhalierender Alligator: Zehn
wissenschaftliche Studien, die «erst zum Lachen und dann zum Denken
anregen» sollen, sind in den USA mit «Ig-Nobelpreisen» ausgezeichne
t
worden (gesprochen «ignoble», was übersetzt etwa unwürdig heißt).

Wegen der Coronavirus-Pandemie wurde die traditionell schrille Gala
in der Nacht zum Freitag diesmal erstmals ausschließlich im Internet
gefeiert. Die bereits zum 30. Mal verliehenen undotierten
Auszeichnungen sollen nach Angaben der Veranstalter «das
Ungewöhnliche feiern und das Fantasievolle ehren».

So bekamen unter anderem Wissenschaftler aus Kanada und den USA die
Auszeichnung in der Kategorie Psychologie für die Entwicklung einer
Methode, Narzissten anhand der Untersuchung ihrer Augenbrauen zu
identifizieren. Ein Forscher aus den USA bekam den Preis für die
Sammlung von Beweisen dafür, dass Entomologen - Wissenschaftler, die
Insekten erforschen - Angst vor Spinnen haben, die keine Insekten
sind. «Für diese Menschen machen die zwei Beine mehr einen echten
Unterschied», sagte der Forscher Richard Vetter in seiner
Video-Dankesrede, die wie alle anderen auch vorab aufgezeichnet war.

Wissenschaftler aus Österreich, Schweden, Japan, den USA und der
Schweiz bekamen eine Ehrung in der Kategorie Akustik dafür, dass sie
einen weiblichen chinesischen Alligator dazu bewegen konnten, in
einer mit Helium gefüllten luftdichten Kammer zu grölen. «Alligatoren

klingen komisch, wenn sie einen Party-Ballon einatmen», fassten die
Forscher ihre Studie zusammen. «Herzlichen Glückwunsch», sagte der
Physik-Nobelpreisträger Andre Geim, der ihnen den Preis online
überreichte. «Macht es vielleicht noch ein bisschen besser nächstes
Mal - vielleicht ohne das Ig.»

In der Kategorie Physik wurden Forscher aus Australien, der Ukraine,
Frankreich, Italien, Deutschland, Großbritannien und Südafrika geehrt
dafür, dass sie experimentell herausgefunden hatten, was mit einem
lebenden Regenwurm passiert, wenn man seinen Körper mit hoher
Frequenz vibrieren lässt. Wissenschaftler aus Schottland, Polen,
Frankreich, Brasilien, Chile, Kolumbien, Australien und Italien
bekamen die Auszeichnung in der Kategorie Wirtschaft für den Versuch,
die Beziehung zwischen der Einkommensungerechtigkeit eines Landes und
der durchschnittlichen Häufigkeit von Küssen auf den Mund zu
quantifizieren. «Menschen aus weniger gerechten Ländern haben
berichtet, dass sie ihre Partner öfter küssen», fassten die Autoren
ihre Studie zusammen.

In der Kategorie Medizin ging der Spaßpreis an Forscher aus den
Niederlanden und Belgien für die Diagnose eines bislang noch nicht
erkannten medizinischen Befunds: Misophonia, der Verzweiflung beim
Hören der Kau-Geräusche von anderen Menschen. Wissenschaftler aus den
USA und Großbritannien bekamen die Ehrung in der Kategorie
Materialwissenschaften für den Nachweis, dass aus menschlichem Kot
gemachte Messer nicht gut funktionieren. Ihre Video-Dankesreden
hatten sie auf dem Klo sitzend aufgenommen.

In der Coronavirus-Pandemie ließen sich die Organisatoren der
Spaßpreise auch einen politischen Seitenhieb nicht entgehen: So
wurden die Staatsoberhäupter von Brasilien, Großbritannien, Indien,
Mexiko, Belarus, den USA, der Türkei, Russland und Turkmenistan in
der Kategorie Medizinische Bildung dafür ausgezeichnet, «dass sie die
Coronavirus-Pandemie dafür genutzt haben, der Welt beizubringen, dass
Politiker einen unmittelbareren Einfluss auf Leben und Tod haben
können als Wissenschaftler und Ärzte». Alle diese Staatsoberhäupter

haben bisher die Bedeutung der Pandemie heruntergespielt.

Normalerweise verfolgen mehr als 1000 Zuschauer die Gala live in
einem Theater der Elite-Universität Harvard. «Wo zur Hölle sind denn

alle?», fragte die Wissenschaftlerin Jean Berko Gleason gleich zu
Beginn bei ihrer traditionellen Willkommensansprache - alleine vor
ihrem Computer. Die Ticketeinnahmen finanzieren das Spektakel,
weswegen die Veranstalter diesmal um Spenden baten. Aber auch bei der
rund anderthalbstündigen Online-Preisverleihung, die diesmal unter
dem Oberthema «Insekten» stand, flogen Papierflieger, es gab Sketche
und bizarre Kurz-Opern.

«Wir hoffen, dass die Pandemie bis nächstes Jahr gezähmt ist und wir

unsere 31. Verleihung wieder auf einer Bühne machen können», sagte
Moderator Marc Abrahams, Herausgeber einer wissenschaftlichen
Zeitschrift zu kurioser Forschung - bevor er die Gala wie immer mit
seinen traditionellen Abschlussworten beendete: «Wenn Sie dieses Jahr
keinen Ig-Nobelpreis gewonnen haben, und besonders dann, wenn Sie
einen gewonnen haben: mehr Glück im nächsten Jahr!»