Biontech will Werk für mögliche Impfstoffproduktion übernehmen

Wenn der Corona-Impfstoff erfolgreich getestet und zugelassen ist,
soll die Produktion schnell anlaufen: Um die Kapazitäten zu
erweitern, geht das Mainzer Pharmaunternehmen auf Einkaufstour nach
Marburg.

Mainz (dpa) - Biontech treibt die Vorbereitungen für die
Massenproduktion eines möglichen Corona-Impfstoffs nach einer
Marktzulassung weiter voran. Zu diesem Zweck will das Mainzer
Unternehmen von dem Schweizer Pharmakonzern Novartis dessen Werk in
Marburg übernehmen. Das Geschäft soll noch vor Jahresende
abgeschlossen werden, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte.
Bei einem Erfolg der derzeit laufenden weltweiten Studie des
Impfstoffkandidaten werde voraussichtlich Ende Oktober die Zulassung
beantragt werden, sagte Biontech-Chef Ugur Sahin.

Biontech plant unter Vorbehalt der behördlichen Genehmigung, in dem
Marburger Werk bereits im ersten Halbjahr bis zu 250 Millionen Dosen
des möglichen Impfstoffs herstellen zu können. Bei voller Auslastung
wird eine Kapazität von bis zu 750 Millionen Dosen pro Jahr
angepeilt. In der Produktionsstätte sind den Angaben zufolge rund 300
Mitarbeiter beschäftigt.

Über den Kaufpreis machten weder Biontech noch Novartis Angaben. Der
Vertrag wurde am Mittwochabend unterzeichnet.

Biontech und sein US-Partner Pfizer hatten Ende Juli einen weltweiten
Test zu dem möglichen Impfstoff mit derzeit 29 000 Probanden
gestartet. Für die klinische Untersuchung der Phasen II/III - mit dem
Ziel einer Überprüfung der Wirksamkeit sowie möglicher Nebenwirkungen

und der Bestimmung der geeigneten Dosis - war der Wirkstoff BNT162b2
als Hauptkandidat ausgewählt worden.

«Dieser Zukauf unterstreicht Biontechs Engagement, die
Produktionskapazitäten erheblich zu erweitern, um nach Marktzulassung
eine weltweite Versorgung mit einem potenziellen Impfstoff zu
ermöglichen», sagte Finanzvorstand Sierk Poetting. Laut Sahin ist
geplant, dass die beiden rheinland-pfälzischen Unternehmensstandorte
Mainz und Idar-Oberstein neben dem Werk in Marburg für die Produktion
eines Corona-Impfstoffs genutzt werden sollen.

Sahin erklärte, der derzeit getestete Impfstoff werde zwei Mal
intramuskulär verabreicht: am Tag eins und drei Wochen später noch
einmal. Der Wirkstoff zeige bei den klinischen Tests bislang eine
gute Verträglichkeit mit «milden bis moderaten Nebenwirkungen»,
beispielsweise Schmerzen an der Einstichstelle oder Fiebersymptomen
bei einer Zahl von Probanden. Diese Folgen seien aber vorübergehend.
Der Impfstoff sei in der Lage, sowohl die Bildung von spezifischen
Antikörpern als auch von T-Zellen zu fördern - beide sind für die
Immunabwehr wichtig.

Lieferverträge für den Erfolgsfall haben Biontech und Pfizer laut
Sahin mit der EU, den USA, Japan und Großbritannien geschlossen. Im
Fall einer Zulassung in den USA beziehungsweise der EU sollen je nach
Zeitpunkt noch in diesem Jahr bis zu 100 Millionen Dosen ausgeliefert
werden. Es gebe Kontakte sowohl zur Europäischen Arzneimittel-Agentur
EMA als auch zur US-Arzneimittelbehörde FDA. Bei den Auslieferungen
soll auf das weltweite Vertriebsnetz von Pfizer zurückgegriffen
werden. Außerdem liefen derzeit Gespräche mit verschiedenen Ländern,

wie die Auslieferungen eines möglichen Impfstoffs mit jeweils eigenen
Logistikkonzepten umgesetzt werden könnten, ergänzte Poetting.

Das Bundesgesundheitsministerium hatte am Dienstag bekannt gegeben,
dass Biontech vom Bund 375 Millionen Euro zur Entwicklung eines
Corona-Impfstoffs erhält. Seit Anfangs September ist bereits bekannt,
dass das Tübinger Biotechunternehmen Curevac 252 Millionen Euro
bekommt. Mit beiden Unternehmen wurden die Verhandlungen über die
Förderung nun abgeschlossen. Für die beschleunigte Erforschung von
Corona-Impfstoffen hatte das Ministerium ein Sonderprogramm mit einem
Fördertopf von 750 Millionen Euro gestartet. Das dritte Unternehmen,
das gefördert werden soll, ist die Firma IDT Biologika aus
Dessau-Roßlau.

Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) äußerte am Dienstag die
Erwartung, dass es erst im kommenden Jahr einen Corona-Impfstoff für
große Teile der Bevölkerung geben wird. Absolute Priorität habe die
Sicherheit. Ein Impfstoff könne nur zur Anwendung kommen, wenn der
Nutzen höher sei als die Risiken.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation wird weltweit in rund
170 Projekten nach einem Impfstoff gesucht. Bei 26 Projekten laufen
demnach bereits Testimpfungen. In Russland wurde schon im August
bereits vor Abschluss wichtiger Tests der erste Impfstoff für eine
breite Anwendung in der Bevölkerung freigegeben, was international
kritisiert wurde.