In Bernstein gegossen: Älteste Spermien der Welt entdeckt

Über 100 Millionen Jahre konserviert in Bernstein: Forscher haben in
einem winzigen Krebsweibchen Riesenspermien entdeckt - das Tier wurde
offenbar kurz nach der Paarung vom Harz eingeschlossen.

München (dpa) - Die ältesten Spermien der Welt sind 100 Millionen
Jahre alt. Ein internationales Team von Paläontologen entdeckte sie
in Bernstein gegossen im Inneren eines weiblichen Muschelkrebses aus
Myanmar, wie Forscher unter anderem der
Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München im Fachmagazin
«Proceedings B» berichten. Das Krustentier hatte sich offenbar gerade
gepaart, ehe es im Baumharz eingeschlossen wurde.

Die bisher ältesten Spermien waren nur halb so alt: Die 50 Millionen
Jahre alten Samenzellen waren im versteinerten Kokon eines
Gürtelwurms in der Antarktis entdeckt und vor fünf Jahren in der
Zeitschrift «Biology Letters» vorgestellt worden.

Die Krebse, die mit ihrem zweiklappigen, verkalkten Panzer ein wenig
an Muscheln erinnern, existieren seit 500 Millionen Jahren. Mit dem
Spermienfund entdeckten die deutschen, britischen und chinesischen
Forscher eine bislang unbekannte Art, die sie «Myanmarcypris hui»
nannten. Mittels Röntgenmikroskopie fertigten sie computergestützte
3-D-Rekonstruktionen der in Bernstein eingebetteten Krebse. Dabei
waren nicht nur die winzigen Gliedmaßen der nur gut einen halben
Millimeter großen Tiere zu sehen, sondern auch ihr
Fortpflanzungsorgane und eben die 100 Millionen Jahre alten Spermien.

Sie lagen in beutelartigen Behältern, in denen sie aufbewahrt werden,
bis die Eier befruchtungsreif sind. «Dieses Weibchen muss sich kurz
vor dem Einschluss im Baumharz noch gepaart haben», sagt Ko-Autor He
Wang von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Nanjing. Die
Rekonstruktionen enthüllten auch die charakteristischen muskulösen
Spermienpumpen und zwei Penisse, mit denen männliche Muschelkrebse
die Weibchen begatten.

«Es war eine überaus seltene Möglichkeit, etwas über die Evolution

dieser Organe zu erfahren», sagt die beteiligte LMU-Geobiologin
Renate Matzke-Karasz. Die Spermien seien wahrscheinlich länger
gewesen als der Krebs selbst. Da sie aufgewickelt in den
Speicherorganen lagen, lasse sich die Länge nicht genau feststellen.
Bei heutigen Muschelkrebsen seien sie teils fünf Mal so lang.

Der Nachweis aus Myanmar, dass Tiere sich bereits seit mehr als 100
Millionen Jahren mit Riesenspermien fortpflanzen, beweise den Erfolg
dieser Strategie, sagt Matzke-Karasz. Bei den meisten Tieren wie auch
beim Menschen gebe es winzige Spermien in sehr großen Mengen. Nur
wenige Tiere, darunter manche Fruchtfliegen und eben Muschelkrebse,
stellten eine relativ kleine Anzahl überdimensionaler Spermien her,
die um ein Vielfaches länger seien als die Tiere selbst.