Urteil mit Signalwirkung: Haftstrafe für Ex-Leichtathletikchef Diack Von Julia Naue und Andreas Schirmer, dpa

Der frühere Leichtathletik-Weltpräsident Lamine Diack ist von einem
Gericht in Paris zu vier Jahren Haft verurteilt worden, zwei Jahre
sind auf Bewährung ausgesetzt. Der Richterspruch soll Signalwirkung
haben.

Paris (dpa) - Das harte Urteil im Korruptionsprozess gegen den
früheren Leichtathletik-Weltchef Lamine Diack ist auch eine Warnung
an die Sportfunktionäre. Ein Pariser Gericht verhängte am Mittwoch
gegen den 87-jährigen Senegalesen vier Jahre Haft, von denen zwei auf
Bewährung ausgesetzt wurden, wie die Finanzstaatsanwaltschaft
bestätigte. Außerdem muss er eine Geldstrafe von 500 000 Euro zahlen.

Hinzu kommt die Zahlung mehrerer Millionen Schadenersatz an den
Leichtathletikverband IAAF von Diack und den weiteren Angeklagten.

Der Weltverband - inzwischen in World Athletics umbenannt - begrüßte
die Urteile der französischen Justiz und bedankte sich bei
Staatsanwälten und Strafgerichtshof für die «detaillierte Arbeit» i
n
diesem Fall. «Obwohl wir enttäuscht sind, dass dies in unserem Sport
geschehen ist, sind wir dankbar für die starken und klaren
Entscheidungen, die gegen die beteiligten und wegen dieser Verbrechen
angeklagten Personen getroffen wurden», wird in einer Mitteilung am
Mittwochabend betont. Die vom Kongress 2016 beschlossenen Reformen
würden gewährleisten, «dass ähnliche Handlungen von Einzelpersonen
in
unserem Sport nie wieder vorkommen können».

«Da wurde klare Kante gezeigt, dass Selbstbedienungsmentalität und
Willkürherrschaft im internationalen Sport nicht akzeptiert wird»,
sagte Clemens Prokop, der zeitgleich mit Diack Präsident des
deutschen Verbandes gewesen war.

Diack legte über seinen Anwalt nach Angaben der französischen
Nachrichtenagentur AFP Berufung gegen die Entscheidung ein. Demnach
kam er nach der Urteilsverkündung auf freien Fuß. Ob Diack nun
wirklich in Haft kommt, ist offen: Aufgrund seines
Gesundheitszustands kann er laut Urteil eine bedingte Haftentlassung
beantragen. Das frühere Mitglied des Internationalen Olympischen
Komitees war 2015 in Paris verhaftet worden und stand seitdem unter
Hausarrest.

Die Staatsanwaltschaft hatte für Lamine Diack im Juni eine
Gefängnisstrafe von vier Jahren und eine maximale Geldstrafe von
500 000 Euro gefordert. Er war wegen Betrugs, Korruption,
Veruntreuung und Geldwäsche angeklagt worden. Diack, sein Sohn Papa
Massata und die weiteren Angeklagten müssen außerdem mehrere
Millionen Schaden

In seiner Amtszeit von 1999 bis 2015 als IAAF-Präsident soll Lamine
Diack laut Staatsanwaltschaft direkt oder indirekt mehrere Millionen
Euro vorwiegend von russischen Athleten für die Vertuschung von
positiven Doping-Tests erpresst haben. Mehrere Athleten konnten
dadurch bei den Olympischen Spielen 2012 in London starten und Gold
gewinnen.

DOSB-Präsident Alfons Hörmann erscheint das Urteil in diesem «so
verabscheuungswürdigen Fall» eher «zu mild als zu hart» zu sein. Na
ch
der jahrelangen Hängepartie rund um den «Diack-Clan» und die
gravierenden Verstöße gegen Gesetze und die Werte des Sports sei es
dennoch ein «guter Tag für den Weltsport», sagte der Chef des
Deutschen Olympischen Sportbundes. «Wer mit höchster krimineller
Energie Athleten erpresst, den Anti-Doping-Kampf unterläuft und das
Fair-Play mit Füßen tritt, kann nicht damit rechnen, ungeschoren
davonzukommen», betonte Hörmann.

«Viele werden mit mir gemeinsam Erleichterung und Genugtuung zugleich
verspüren: endlich geht es den Kriminellen im internationalen Sport
für alle sichtbar an den Kragen», lautete der Kommentar von Dagmar
Freitag (SPD), der Sportausschussvorsitzenden des Bundestages.
«Dieses Urteil wird hoffentlich Signalwirkung bis auf die nationale
Ebene haben: nur staatliche Ermittlungsbehörden haben die
Möglichkeiten und auch die Kraft, den Sumpf aufzudecken», erklärte
sie. Das passe zum ebenfalls begonnenen Prozess in München gegen den
Erfurter Arzt Mark S., der über Jahre Blutdoping praktiziert hat.

Härter als sein Vater ist Sohn Papa Massata Diack bestraft worden. Er
wurde AFP zufolge in Abwesenheit zu fünf Jahren Gefängnis und einer
Geldstrafe von einer Million Euro verurteilt. Papa Massata hatte sich
in den Senegal zurückgezogen, das ihn trotz eines Haftbefehls von
Interpol nicht ausliefern will. Kurz vor dem Urteilsspruch hatte er
die Beschuldigungen als «größte Lüge des Weltsports» bezeichnet.


Zu Freiheitsstrafen mit Bewährung wurden weitere Hintermänner der
Machenschaften verurteilt: Unter anderen der Anwalt Habib Cisse (3
Jahre Haft/davon 2 Jahre auf Bewährung und der Ex-Leiter der
Anti-Doping-Abteilung des Weltverbandes IAAF (heute World Athletics),
Gabriel Dolle (2 Jahre auf Bewährung).

Lamine Diack galt als einer der einflussreichsten Spitzenfunktionäre,
In seiner Ära profitierte er vor allem von Supersprinter Usain Bolt,
der der Leichtathletik großen Glanz verliehen hatte. Die Affäre um
den früheren Bürgermeister von Dakar sowie der Skandal um
systematisches Doping in Russland haben den Ruf der olympischen
Königssportart immens geschädigt. Sein britischer Nachfolger
Sebastian Coe, langjähriger Vizepräsident unter Diack, reformierte
den Weltverband - und hat ihm auch als Signal eines Neuanfangs den
neuen Namen World Athletics gegeben.