Grippe trifft auf Corona: Was passiert während der Influenzasaison? Von Gregor Bauernfeind, dpa

Winterzeit ist Grippezeit: Die Kombination von Covid-Patienten und
Grippe-Kranken droht das Gesundheitssystem schwer zu belasten. Die
Corona-Vorsicht könnte aber die Grippewelle auch eindämmen.

Berlin (dpa) - Im Herbst beginnt die Grippesaison. Dann haben Ärzte
voraussichtlich vermehrt mit zwei schweren Infektionskrankheiten zu
tun: Covid-19 und Grippe. Was haben beide gemeinsam - und was
unterscheidet sie?

Was passiert, wenn die Corona-Pandemie auf eine Grippewelle trifft?

Nach Ansicht des Leiters der Abteilung für Epidemiologie am
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Gérard Krause, würde eine

nennenswerte Grippe-Aktivität das Gesundheitswesen herausfordern.
Denn dann könnte es mehr Patienten mit Atemwegserkrankungen geben,
die versorgt und getestet, teils in Krankenhäuser und auf
Intensivstationen gebracht werden müssten.

Wie stark die Grippesaison ausfallen wird, lässt sich noch nicht
abschätzen. Es gibt Jahre mit starken und mit weniger starken
Grippewellen. In der vorigen Saison gab es relativ wenige Kranke,
zwei Jahre davor sehr viele. Influenzaviren, die die Grippe
hervorrufen, zirkulieren nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI)
zwischen Anfang Oktober und Mitte Mai. Grippewellen - also eine
erhöhte Influenza-Aktivität - beginnen meist im Januar und dauern
drei bis vier Monate.

Wie kann man sich vor einer Ansteckung mit Influenza schützen?

Prinzipiell mit einer Impfung. Gegen das Coronavirus ist hingegen
bislang kein Impfstoff erhältlich. Weltweit gibt nach Angaben der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) weit mehr als 100
Impfstoffprojekte, mehr als 30 sind in klinischer Prüfung.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) am RKI empfiehlt die
Grippeimpfung nur für Risikogruppen. Das sind etwa Menschen über 60,
Frauen ab der 14. Schwangerschaftswoche, Personen mit Vorerkrankungen
und Menschen, die berufsbedingt ein erhöhtes Infektionsrisiko haben.

Eine Grippeimpfung hilft Krause zufolge nicht nur den geimpften
Menschen aus den Risikogruppen, sondern entlastet indirekt auch bei
der Bekämpfung der Corona-Pandemie: Denn so müssten weniger Patienten
mit Symptomen behandelt oder vorsorglich in Quarantäne geschickt
werden, weniger Leute landeten in Krankenhäusern und auf
Intensivstationen.

Wenn eine Grippeimpfung Engpässe in Krankenhäusern verhindert - warum
wird sie nicht für die ganze Bevölkerung empfohlen?

Weil es laut Stiko voraussichtlich nicht genügend Impfstoff gibt. Für
die Saison 2020/21 würden rund 25 Millionen Dosen zur Verfügung
stehen - allein für die Versorgung jener Menschen, denen die Stiko
die Impfung empfiehlt, bräuchte es aber rund 40 Millionen Dosen. Eine
Ausweitung der Empfehlung auf die Gesamtbevölkerung könnte also zu
einer Unterversorgung der Risikogruppen führen. «Weil dann alle
möglichen Betriebe ihre eigentlich gesunden Mitarbeiter, die keine
Risikofaktoren haben, impfen», sagt Krause. «Und dann bleibt am Ende
vielleicht für die Altersheime nicht mehr genug, oder sie bekommen es
später. Das wäre ja tragisch.»

Gibt es weitere Wechselwirkungen zwischen Covid-19 und Influenza?

Die Erreger von Covid-19 und Grippe werden auf ähnlichem Weg
übertragen - folglich helfen auch die gleichen Schutzmaßnahmen.
Krause geht davon aus, dass etwa Händewaschen, Abstand Halten und ein
Mund-Nasen-Schutz auch gegen die Verbreitung der Grippe helfen. «Wir
werden vielleicht - so paradox das klingt - im kommenden Winter
weniger schwere Atemwegsinfektionen haben als die Jahre zuvor», sagt
Krause. «Wenn wir denn das Verhalten so beibehalten.»

Wie unterscheiden sich die Krankheiten bei Verlauf und
Behandlungsdauer?

Der Anteil schwerer Verläufe ist bei Covid-19-Patienten deutlich
höher als bei Grippe-Patienten. Das geht aus einer aktuellen
RKI-Studie hervor, die Covid-19-Patienten mit Grippe-Erkrankten
verglich, die jeweils ins Krankenhaus mussten. Im Schnitt blieben
Covid-19-Patienten länger in stationärer Behandlung und öfter und
länger auf der Intensivstation. 22 Prozent der Covid-19-Patienten,
aber nur 14 Prozent der Grippe-Patienten mussten an Beatmungsgeräte
angeschlossen werden.

Kann man die Zahlen der Todesfälle vergleichen?

Die absoluten Todeszahlen für Corona und Influenza kann man kaum
seriös miteinander vergleichen. Sie werden unterschiedlich erhoben.
Als Covid-19-Todesfall gelten für das RKI Personen, «bei denen ein
laborbestätigter Nachweis von SARS-CoV-2 vorliegt und die in Bezug
auf diese Infektion verstorben sind». Erfasst werden sowohl Menschen,
die unmittelbar an der Erkrankung gestorben sind, als auch Menschen,
bei denen sich nicht abschließend nachweisen lässt, ob das Virus die
Todesursache war.

Weil bei weitem nicht alle Todesfälle, die mit Influenza
zusammenhängen, erkannt werden, behilft man sich hier laut RKI mit
einer statistischen Erhebung: Die Zahl der Influenza-Toten wird
errechnet, indem man von der Zahl aller Todesfälle während einer
Influenzawelle die Zahl jener Todesfälle abzieht, die es ohne
Influenzawelle gegeben hätte - diese wird aus historischen Daten
berechnet.

Todesfälle von Patienten, die wegen ihrer Krankheit ins Krankenhaus
mussten, hat das RKI in einer Studie genauer untersucht. Demnach
starben 21 Prozent der Covid-19-Patienten in stationärer Behandlung,
bei den Grippe-Patienten waren es 12 Prozent.

Lassen sich die Symptome vergleichen?

Eine Unterscheidung von Grippe- und Covid-19-Symptomen kann schwierig
sein. «Die Symptomatik kann insbesondere in der Frühphase der
Infektion sehr ähnlich sein», sagt die Virologin Sandra Ciesek von
der Universität Frankfurt. Ohne einen Test könnten die Symptome
gerade in diesem Stadium nicht sicher unterschieden werden.

Theoretisch können Labore künftig Proben gleichzeitig auf Corona- und
Influenzaviren untersuchen. Dafür geeignete Tests sollen nach Angaben
von Herstellern in Kürze in Deutschland verfügbar sein.