Das Leben nach Covid-19 - viele Patienten kämpfen mit Langzeitfolgen Von Andreas Hummel, dpa

Das Virus haben sie besiegt, doch viele ehemals Covid-19-Erkrankte
kämpfen noch Wochen und Monate später mit Gesundheitsbeschwerden. Die
können längst nicht nur die Lunge betreffen.

Gera (dpa/th) - Es ist ein halbes Jahr her, dass Roman Bialas schwer
an Covid-19 erkrankt ist. Drei Wochen wurde der 69-Jährige aus Gera
im SRH-Krankenhaus behandelt, im August war er zur Reha an der Ostsee
- doch die Folgen spürt er noch immer. «Es ist nicht mehr wie zuvor»,

erzählt der Senior. Er spricht von einem ständigen Druck beim Atmen.
«Das fühlt sich an, als läge ein fünf Kilo schwerer Kartoffelsack a
uf
meiner Brust.» Er habe Gewicht verloren, Mühe mit der Feinmotorik
seiner Finger, fröstelt auch an heißen Tagen und kommt bei kleinsten
Anstrengungen ins Schwitzen. Vieles im Alltag falle deswegen schwerer
als früher. Damit ist der Geraer nicht allein: Viele Patienten litten
nach einer Covid-19-Erkrankung an Spätfolgen, berichten Ärzte.

Wo sich Bialas angesteckt hat, weiß er nicht. Kurz bevor im März die
ersten Symptome auftraten, war er auf einer Fachmesse und hatte dort
viele Kontakte etwa zu ehemaligen Kollegen, wie er erzählt. «Erst
dachte ich, ich habe eine Grippe. Ich hatte Schüttelfrost, Fieber und
alles hat weh getan.» Als sein Gesundheitszustand nicht besser wurde,
brachte ein Corona-Test die Gewissheit. Noch am selben Abend wurde er
ins Geraer Wald-Klinikum gebracht. «Da habe ich alles um mich herum
schon nur noch durch einen Schleier wahrgenommen», erinnert er sich
an die Tage im Frühjahr. Es wurde eine ausgedehnte Lungenentzündung
festgestellt und er musste drei Wochen mit Sauerstoff versorgt
werden.

Neben der Eindämmung der Corona-Pandemie selbst und der Behandlung
von Erkrankten rücken für Ärzte immer stärker auch die Spätfolgen
bei
Patienten in den Blick. Dabei geht es längst nicht nur um Menschen
mit einem schweren Krankheitsverlauf wie bei Roman Bialas. Und nicht
nur die Lunge kann deutlichen Schaden nehmen. «Die Viren können
nahezu alle Organe befallen und so können auch an nahezu allen
Organen Folgeschäden auftreten», erklärt Professor Andreas Stallmach,

Direktor der Klinik für Innere Medizin IV am Jenaer Uniklinikum.

An der Universitätsklinik wurde im Sommer eine Post-Covid-Ambulanz
eingerichtet, deren Koordinator Stallmach ist. Und der Bedarf ist
offensichtlich groß. Rund 40 Patienten wurden den Angaben nach bisher
dort betreut, die Warteliste reicht aktuell bis Ende November. Der
Experte spricht von zwei Gruppen an Hilfesuchenden.

Die einen wollten nach einer überstandenen Infektion wissen, ob sie
weiter Antikörper haben und vor einer erneuten Infektion geschützt
sind. «Ob ein solcher Schutz besteht, ist nicht sicher zu sagen»,
betont Stallmach. Auch beim Robert Koch-Institut heißt es, dass der
Patient bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 zwar Antikörper bildet.
«Unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt noch, wie regelhaft, robust und
dauerhaft dieser Immunstatus aufgebaut wird.»

Die andere, größere Gruppe seien jene Patienten, die zwar eine
Covid-19-Erkrankung überwunden, aber mit deren Langzeitfolgen zu
kämpfen haben, berichtet Stallmach. Das reiche von Luftnot über
Konzentrationsstörungen und Depressionen bis hin zu Beschwerden mit
Magen und Darm. Der Experte schätzt, dass mehr als die Hälfte derer,
die wegen Covid-19 in einer Klinik behandelt werden mussten,
Folgeschäden haben. Es gebe aber auch Menschen mit nur leichtem
Krankheitsverlauf, die mit Spätfolgen zu kämpfen hätten. Sie alle
bräuchten individuelle Hilfe von jeweiligen Spezialisten.

Halt und Unterstützung hätten ihm in diesem schwierigen Jahr die
Freunde und seine Familie gegeben, sagt der passionierte Hobbymusiker
Bialas. «Ich habe hier viele Menschen, bei denen könnte ich nachts
zwei Uhr klingeln und die wären für mich da.» Dennoch ist er seither

kürzer getreten, hat schweren Herzens seinen Garten abgegeben und
überlegt in die Nähe der Familie seines Sohnes nach Niedersachsen zu
ziehen. Kein Verständnis hat der 69-Jährige nach seinen Erfahrungen
allerdings für Mitmenschen, die Corona leugnen und die Pandemie
herunterspielen: «Da sind viele Menschen gerade sehr leichtsinnig und
egoistisch.»