Eine Milliarde Euro weniger für Kieler Landeskasse Von Wolfgang Schmidt, dpa

Corona reißt ein großes Loch in den Landeshaushalt. Finanzministerin
Heinold muss mit einer Milliarde Euro weniger auskommen als geplant.
Die Regierung plant auch für die nächsten Jahre weitere
Milliarden-Notkredite. Dafür braucht sie allerdings die Opposition.

Kiel (dpa/lno) - Mit einem Nothilfeplan für die nächsten Jahre will
Schleswig-Holsteins Landesregierung die Corona-Krise bewältigen.
Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) verkündete am Dienstag, sie
plane weitere Notkredite in Milliardenhöhe. «Darüber beraten wir
nicht nur in der Jamaika-Koalition, ich bin auch mit SPD und SSW im
Gespräch.» Für Notkredite braucht die Regierung aus CDU, Grünen und

FDP eine Zweidrittelmehrheit im Landtag.

Mit einer Milliarde Euro an neuen Notkrediten werde das Land in den
nächsten Jahren nicht auskommen, sagte Heinold auf die Frage nach der
Dimension. «Das wird deutlich mehr werden.» Jetzt sei nicht die Zeit
für Sparprogramme. «Wir müssen stärken, stützen und investieren.
» Das
zarte Pflänzchen Konjunkturerholung dürfe nicht zerstört werden.
Kurzfristige Sparprogramme wären die falsche Antwort. «Wir brauchen
Luft zum Atmen.»

Eine Sonder-Steuerschätzung hatte ergeben, dass Schleswig-Holstein in
diesem Jahr voraussichtlich eine Milliarde Euro weniger an Steuern
einnehmen wird als vor der Corona-Krise geplant. Bis 2024 muss das
Land nach derzeitigem Stand mit rund 3,6 Milliarden Euro weniger
auskommen als vor der Corona-Pandemie erwartet.

Für dieses Jahr fällt das Minus aber etwas weniger stark aus, als die
Steuerexperten im Mai vorausgesagt hatten. Damals war von fast 1,2
Milliarden Euro die Rede, jetzt von 998 Millionen. Absolut fließen
dieses Jahr absehbar 9,95 Milliarden Euro in die Landeskasse und 2021
dann 10,58 Milliarden. Für 2021 ist das Einnahmen-Minus mit 780
Millionen Euro um 320 Millionen größer als nach der
Mai-Steuerschätzung.

Im Frühjahr hatte das Land Notkredite in Höhe von einer Milliarde
Euro aufgenommen, um Ausgaben zur Abfederung der Krise zu
finanzieren, zum Beispiel Hilfsprogramme für die Wirtschaft. Noch
einmal eine Milliarde an Schulden kommen infolge der Krise hinzu.
«Dafür braucht es keine Notkredite, weil dies als konjunkturbedingt
verbucht wird», sagte Heinold. Hier reiche eine Kreditermächtigung
mit einfacher Landtagsmehrheit.

Das Land brauche nachhaltige Lösungen für die nächsten Jahre,
unterstrich die Ministerin. In schwierigen Situationen sei es schon
häufig gelungen, über die Parteigrenzen hinaus zusammenzustehen. «In

den letzten Jahren sind wir bei der Modernisierung des Landes mit
Siebenmeilenstiefeln vorangekommen, sei es bei der Bildung, bei der
Digitalisierung, beim Klimaschutz oder bei der Infrastruktur.» Um den
Kurs halten zu können, müsse man alle Kräfte bündeln.

Auch auf die Kommunen kommt bis 2024 ein drastischer Einnahmerückgang
gegenüber den Erwartungen vor der Corona-Pandemie zu. «Ziel muss es
sein, dass wir die anstehenden Herausforderungen gemeinsam lösen, um
auch die kommunale Daseinsvorsorge zu sichern», sagte Heinold. Für
dieses Jahr wird für die Kommunen ein Gesamtaufkommen von rund fünf
Milliarden Euro erwartet. Zu den bisherigen Planungen ist dies ein
Minus von 559 Millionen Euro, bei Gesamteinnahmen von 5 Milliarden.

Zudem sei der Kommunale Finanzausgleich dieses Jahr in dreistelliger
Millionenhöhe überfinanziert gewesen, sagte der Vorsitzende des
Städtetages, Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD). «Es würde
uns
das Genick brechen, wenn das Land alles auf einmal zurückhaben
wollte.» Die Gespräche mit der Landesregierung seien konstruktiv, er
hoffe auf eine Einigung in den nächsten Tagen und Wochen.

Die Kommunen müssten 2021 nach bisherigem Stand Einnahmenausfälle bei
der Einkommensteuer von 140 Millionen und bei der Gewerbesteuer von
113 Millionen Euro allein tragen, sagte der Vorsitzende des
Städtebundes, Eckernfördes Bürgermeister Jörg Sibbel (CDU). Sie
bräuchten Hilfe, um notwendige Investitionen nicht strecken oder
streichen zu müssen. Wenn die Kommunen nicht investieren können,
werde Deutschland «nicht auf geraden Fuß kommen», warnte der
Vorsitzende des Landkreistages, Ostholsteins Landrat Reinhard Sager.

SPD-Fraktionsvize Beate Raudies forderte eine Haushaltspolitik mit
einer Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge als Schwerpunkt, zum
Beispiel Krankenhäuser, Schulen und Kitas. Zudem müssten Familien
entlastet werden. Die SPD wolle dafür Jamaika die Hand reichen.

Nur mit massiven Investitionen in Digitalisierung, Schulen,
Liegenschaften und Straßen komme das Land gestärkt aus der Krise,
sagte der CDU-Haushaltspolitiker Ole-Christopher Plambeck. Der
Modernisierungskurs müsse fortgesetzt werden, meinte auch die
FDP-Finanzpolitikerin Annabell Krämer. Aber für zusätzliche «teure

politische Schwärmereien» sei derzeit kein Platz.

Einen Kurswechsel forderte die AfD: Ausgaben für Prestigeprojekte der
Grünen müssten eingestellt werden, sagte Fraktionschef Jörg Nobis
unter Hinweis auf die Klimaschutz- und Asylpolitik.