Warten aufs Geld - Turbulenzen bei Apotheken-Abrechner Von Frank Christiansen, dpa

Viele Apotheker in Deutschland warten derzeit auf viel Geld. Ihr
Zahlungsabwickler, der die Rezepte mit den Krankenkassen abrechnet,
hat Schwierigkeiten, wie das Unternehmen selbst einräumt.

Düsseldorf (dpa) - Etliche Apotheker in Deutschland haben derzeit
beim Blick auf ihr Geschäftskonto Sorgenfalten auf der Stirn: Bei
einem großen Apotheken-Abrechnungszentrum in Düsseldorf gibt es
erhebliche Turbulenzen. Apotheker warten seit Tagen auf zum Teil
sechsstellige Summen.

In Rechenzentren wickelt das Unternehmen AvP das Zahlungsgeschäft
tausender Apotheken in Deutschland mit den Krankenkassen ab. Es
reicht die Rezepte gebündelt bei den Kassen ein und leitet die
Beträge der Krankenkassen an die Apotheken weiter - bis vor kurzem
zumindest.

Nach Angaben von AvP stecken Umstrukturierungen hinter den Problemen,
die nicht reibungslos verlaufen seien. So steht es in einem
Rundschreiben der AvP an ihre Kunden, das der Deutschen
Presse-Agentur vorliegt.

Dort heißt es: «Die letzten Tage waren sehr turbulent und die
Nachrichten über AvP haben sich überschlagen. Ein großer Teil von
ihnen hat deshalb die schlimmsten Befürchtungen um sein
wohlverdientes Geld, auch weil Mitbewerber diese Gerüchte emotional
zum eigenen Vorteil nutzen.»

Inzwischen hat sich die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin
eingeschaltet und prüft die Vorgänge. «Dieses Factoring-Institut
unterliegt unserer Aufsicht», sagt ein Sprecher auf Anfrage am
Dienstag in Bonn. Einzelheiten könne man aufgrund der
Verschwiegenheitspflicht aber nicht nennen. Aus Finanzmarktkreisen
heißt es, die Bafin habe sogar einen Sonderbeauftragten in das
Unternehmen geschickt.

«Die Zahlungen für ihre Rezepte sind sicher auf dem Weg», verspricht

derweil die AvP in dem Rundschreiben von Gesellschafter Mathias
Wettstein. Dem Nachrichtenportal «Apotheke Adhoc» zufolge hat
Wettstein die Umstrukturierungen näher erläutert: Danach handelt es
sich um IT-Probleme durch einen Dienstleisterwechsel - doch daran
zweifeln inzwischen etliche Apotheker.

«Da hängen rund 3500 Apotheken am Fliegenfänger», sagt ein Apotheke
r
aus Nordrhein-Westfalen», der nicht genannt werden will, der dpa.
Bislang habe er weder eine Abschlagszahlung noch vernünftige
Informationen erhalten: «Hoffentlich bahnt sich da kein zweites
Wirecard an.»

AvP bemüht sich derweil, Zuversicht zu verbreiten: «Inzwischen haben
wir viele Aufgaben gelöst und sind dabei, die letzten Tage mit allen
Kräften wieder aufzuholen.» Zugleich räumt das Unternehmen Fehler
vor allem in der Kommunikation ein: «Für den gesamten Vorgang
entschuldigen wir uns in aller Form.»

Das Unternehmen war für eine weitere Stellungnahme am Dienstag nicht
zu erreichen. Inzwischen hat die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft eine
Anfrage zu AvP an die Bafin gestellt. Nach derzeitigem Stand gibt es
aber kein Ermittlungsverfahren, sagt eine Sprecherin der
Staatsanwaltschaft.

Bernhard Bellinger, Steuerberater und Rechtsanwalt in Düsseldorf, hat
viele Apotheker als Mandanten: «AvP zählt zu den großen
Abrechnungszentren mit wohl rund 3500 Kunden. Das wäre etwa ein
Fünftel des deutschen Marktes. Die Beträge, um die es geht, sind
gesalzen. Das sind durchaus bis zu 400 000 Euro pro Apotheke, die
ausstehen - im Durchschnitt wahrscheinlich rund 120 000 Euro», sagt
Bellinger.

«Den vom Zahlungsverzug betroffenen Apotheken droht im schlimmsten
Fall die Zahlungsunfähigkeit», berichtet er am Dienstag. «Es soll
zwar Abschlagszahlungen gegeben haben, die Mehrheit unserer Mandanten
sagt aber: «Wir haben gar nichts bekommen».»

Der Markt sei nun sehr misstrauisch, zumal AvP bislang keine
Abbuchungsbelege vorgewiesen habe. Bellinger rät dem Unternehmen:
«Die sollten eine Bescheinigung ihrer Hausbank ins Netz stellen, dass
das Geschäftskonto nicht gesperrt ist und der Überweisungsauftrag von
AvP durch die Bank inzwischen komplett ausgeführt wurde. Das wäre als
vertrauensbildende Maßnahme unschlagbar.»

Morton Douglas, Rechtsanwalt in Freiburg, vertritt eine Reihe von
Apothekern und will den Stab über AvP noch nicht brechen, aber: «Im
Moment ist das größte Problem die fehlende Kommunikation», sagt er.