Corona-Impfstoff für breite Masse wohl erst Mitte nächsten Jahres

Wann wird es in Deutschland einen Corona-Impfstoff geben? Und wird
dann alles wieder wie vorher? Gesundheitsminister Spahn und
Forschungsministerin Karliczek sind optimistisch, dass es nicht mehr
lange dauert, aber es sind noch viele Fragen offen.

Berlin (dpa) - Die Bundesregierung geht davon aus, dass ein Impfstoff
gegen Corona in Deutschland für Teile der Bevölkerung in den ersten
Monaten des nächsten Jahres zur Verfügung steht, für die breite Mas
se
aber voraussichtlich erst Mitte des Jahres. Entsprechend äußerten
sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) am Dienstag bei einer
gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin.

«Wir wollen einen sicheren und wirksamen Impfstoff und nicht per se
die Ersten sein», sagte Spahn. Gerade beim Impfen komme es sehr auf
Vertrauen an. Ein Impfstoff könne nur zur Anwendung kommen, wenn der
Nutzen höher sei als die Risiken, sagte Karliczek. «Von dieser Linie
werden wir in Deutschland und Europa nicht abweichen.»

Laut Weltgesundheitsorganisation wird weltweit derzeit in rund 170
Projekten nach einer wirksamen Substanz gesucht. Bei 26 Projekten
laufen demnach bereits Testimpfungen, um die gesundheitliche
Verträglichkeit und Wirksamkeit zu untersuchen. In Russland wurde
schon im August bereits vor Abschluss wichtiger Tests der erste
Impfstoff für eine breite Anwendung in der Bevölkerung freigegeben -
was international kritisiert wurde. Auch eine Tochter von Präsident
Wladimir Putin soll mit dem Impfstoff namens «Sputnik V» geimpft
worden sein.

Spahn betonte erneut, dass es in Deutschland keine Impfpflicht geben
wird. «Es wird zu einer freiwilligen Impfung kommen.» Um eine
sogenannte Herdenimmunität zu erreichen, müssten sich in Deutschland
seinen Angaben zufolge demnach 55 bis 65 Prozent der Bürger impfen
lassen. «Wir sind sehr, sehr zuversichtlich, dass wir das Ziel einer
ausreichend hohen Impfquote freiwillig erreichen.»

Eine Umfrage hatte Anfang August ergeben, dass sich 44 Prozent der
Bevölkerung auf jeden Fall impfen lassen würden. 30 Prozent der
Befragten gaben im ARD-«Deutschlandtrend» von Infratest Dimap damals
an, das sie das wahrscheinlich tun würden. Je 12 Prozent sagten,
wahrscheinlich nicht oder auf keinen Fall.

Für eine beschleunigte Impfstoffentwicklung hatte das
Bundesforschungsministerium ein Sonderprogramm über 750 Millionen
Euro aufgelegt. Gefördert werden damit Projekte des Tübinger
Biotechunternehmens Curevac, der Mainzer Firma Biontech und
voraussichtlich auch der Firma IDT Biologika aus Dessau-Roßlau.

Die EU und damit auch Deutschland haben sich unter anderem bei
Curevac und Biontech über Vorvereinbarungen Zugriff auf Hunderte
Millionen Impfstoffdosen gesichert, damit es im Falle einer Zulassung
schnell geht. «Es wird mit der Produktion schon begonnen, während die
Zulassung läuft», sagte Spahn. Die Vorverträge sollen den Herstellern

einen Teil des Risikos für Entwicklungskosten abnehmen. Damit geht
aber auch der Staat ins finanzielle Risiko, falls die Impfstoffe dann
nicht zugelassen werden oder es Probleme damit gibt.

Auch mit dem britischen Pharmakonzern AstraZeneca gibt es eine solche
Vereinbarung. Hier hat sich allein Deutschland laut
Gesundheitsministerium 54 Millionen Impfstoffdosen gesichert. Das
würde zunächst für rund 27 Millionen Menschen hierzulande ausreichen,

wie Spahn sagte, weil voraussichtlich zwei Impfungen mit gewissem
zeitlichen Abstand durchgeführt werden müssten.

Daraus folgen weitere praktische Fragen, die noch zu klären sind: Wer
wird zuerst geimpft? Wo passiert das und aus welchem Topf werden die
Impfungen am Ende bezahlt.

Laut Spahn sollen zuerst Menschen mit Vorerkrankungen, ältere
Menschen und Beschäftigte im Gesundheitswesen und in der Pflege zum
Zuge kommen. Die Ständige Impfkommission - ein Expertengremium, das
Empfehlungen zum Thema Impfen in Deutschland gibt - beschäftige sich
momentan mit dieser Frage. Mit den Ländern werde außerdem besprochen,
ob die Impfungen in Arztpraxen oder etwa regionalen Impfzentren
durchgeführt werden sollten. Diskutiert werde auch noch darüber, ob
die Kosten für die Impfung vom Staat oder von den Krankenkassen
übernommen würden.

Bleibt noch die Frage, wie die erhoffte Corona-Impfung wirken könnte.
Der Präsident des für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts,

Klaus Cichutek, sagte am Dienstag: «Wir reden bei Wirksamkeit davon,
dass die Impfstoffe in der Lage sind, die schwere Covid-19-Krankheit
zu verhindern. Das sind die primären Ziele. Wir hoffen natürlich
auch, dass sie in der Lage sein werden, die (...)
Mensch-zu-Mensch-Übetragung dann zu unterbrechen.» Man wisse heute
noch nicht, ob mit der Impfung auch das Infektionsgeschehen zum
Erliegen gebracht werden könne, sagte Spahn.