Turbo gegen Corona - Bayern pumpt Milliarden in Hightech-Forschung

Bayerns exportorientierte Wirtschaft leidet massiv unter der
Pandemie. In ihrer Not macht die Staatsregierung nun flächendeckend
den Wandel zum Ziel.

München (dpa/lby) - Als Reaktion auf trübe Aussichten in Wirtschaft
und Wissenschaft wegen der Corona-Krise pumpt Bayern mehr Geld in
einen schnelleren Ausbau seines Hightech-Forschungsnetzwerkes. Dafür
beschloss das Kabinett am Montag in München ein neues Konzept. Damit
wird das bisherige Investitionsvolumen von zwei Milliarden bis 2023
auf rund 3,5 Milliarden Euro in zwei Jahren erhöht.

«Es geht um die Arbeitsplätze von morgen, die übrigens deutlich
länger halten als Corona. Wenn Corona längst besiegt ist, werden
diese Investitionen noch Chancen bieten auf Arbeitsplätze um
international konkurrenzfähig zu sein», sagte Ministerpräsident
Markus Söder (CSU) in München. Er nannte das Konzept einen «echten
Turbo» für die Wissenschaft in Bayern.

Konkret sieht das Konzept vor, 1800 eigentlich bis 2023 vorgesehene
neue Forschungsstellen - darunter 730 Professuren und
wissenschaftliches Personal - schon für den Ausschreibungsbeginn am
1. April bereit zu stellen. Allein hierfür werden 900 Millionen
benötigt. «Corona fräst sich immer tiefer in den Arbeitsmarkt und in

die Wirtschaft», sagte Söder. Da für Bayern lebenswichtige Bereiche
wie Auto, Luft- und Raumfahrt sowie Maschinenbau im Kern betroffen
seien, drohe ohne Gegenmaßnahmen eine Deindustrialisierung.

Bayerns Hightech-Agenda basierte bisher auf dem Aufbau eines
Netzwerks für Spitzenforschung im Bereich Künstliche Intelligenz und
Robotik landesweit bis 2023. Dies soll nun ein Jahr früher
abgeschlossen sein. Dazu sollen auch mehr als 13 200 neue
Studienplätze an allen Universitäten und Hochschulen für angewandte
Wissenschaften im Land entstehen.

Neben den Soforthilfen setzt die Staatsregierung daher mit Blick in
die Zukunft auf die Transformation der bayerischen Wirtschaft. Söder
betonte, auch mit dem jetzigen Aufschlag sei noch nicht das letzte
Wort gesprochen. Ein Schwerpunkt sei die Wasserstofftechnologie. Das
Konzept sieht aber Maßnahmen in den Bereichen Satellitenforschung,
Infektionsforschung, Mobilfunk (6G) und einen 250 Millionen schweren
Fonds für Start-ups vor.

Nach Angaben von Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) gibt es auf
die ersten 700 ausgeschriebenen Stellen Bewerbungen aus aller Welt.
Auch von Elite-Hochschulen wie Harvard und Yale gebe es Bewerbungen
für Stellen in Bayern. Söder unterstrich, dass es zwar nicht
landesweit, aber zumindest bei Spitzen-Unis in Bayern genau um dieses
Forschungsniveau gehe: «Da sollen Nobelpreisträger entstehen.»

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) betonte, dass
Bayern den Wandel vorantreibe. Zugleich blieben aber auch
Traditionssparten wichtig. Als Beispiel nannte er die
Diesel-Technologie, die unverzichtbar sei.

Erstmals hatte Söder die Hightech-Agenda im September 2019
angekündigt. Unter anderem sollen 1000 neue Professoren und mehr als
13 000 neue Studienplätze etwa in Informatik sowie mehrere neue
Forschungsinstitute entstehen. Zur Finanzierung hatte die
Landesregierung den Plan für den Schuldenabbau massiv gekürzt.

Wegen der erwarteten Steuerverluste - bis 2022 rund 11,8 Milliarden
Euro - wird der Haushalt nächstes nicht ohne neue Kredite
realisierbar sein. Daher können auch die 525 Millionen, die nun für
2021 zusätzlich fällig werden, nicht einfach aus Einnahmen zu bezahlt
werden. Entweder muss Finanzminister Albert Füracker (CSU) an die
Rücklagen - von dem Vernehmen nach aktuell rund acht Milliarden Euro
- gehen oder sich Geld leihen. Die in der Verfassung verankerte
Schuldenbremse dürfte wegen der Pandemie auch im kommenden Jahr
ausgesetzt bleiben, wie Füracker bereits vergangene Woche andeutete.

Füracker nannte die neue Hightech-Agenda eine «Konjunkturpaket erster
Güte». Gleichwohl betonte er, dass die Aufstellung des Haushalts im
kommenden Jahr eine große Herausforderung bleibe. Um
Planungssicherheit zu behalten, verzichtet Bayern ausnahmsweise auf
einen Doppelhaushalt und wird im Winter dem Landtag nur einen
Etatplan für 2021 vorlegen.