Corona-Pandemie lähmt auch Kriminelle

Seit Jahresbeginn sind deutlich weniger Strafanzeigen bei der
niedersächsischen Polizei eingegangen als in den ersten acht Monaten
2019. Täter hätten weniger Aktionsraum, sagt LKA-Präsident Friedo de

Vries. Manche Betrüger suchen sich aber neue Felder.

Hannover (dpa/lni) - Für Kneipen-Schlägereien gab es kaum
Gelegenheit: Während der Corona-Pandemie und den damit verbundenen
Einschränkungen des öffentlichen Lebens ist die Kriminalität in
Niedersachsen insgesamt deutlich zurückgegangen. «Das geht durch alle
Deliktsgruppen von Einbrüchen über Körperverletzungen bis zu
Autodiebstählen», sagte der Präsident des Landeskriminalamtes (LKA),

Friedo de Vries, der Deutschen Presse-Agentur in Hannover.

Von Januar bis einschließlich August gingen etwa 346 000
Strafanzeigen bei der niedersächsischen Polizei ein, das waren rund
14 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. «Das verwundert nicht»,
sagte de Vries. Wegen geschlossener Diskotheken oder dem Verbot von
Großveranstaltungen habe es weniger Aktionsraum für Täter gegeben.

In bestimmten Bereichen verzeichnen die Ermittler allerdings einen
deutlichen Anstieg. So gab es beim Betrug mit sogenannte Fake-Shops
im Internet in den ersten acht Monaten 2020 eine Zunahme von 354
Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Viele Kriminelle hätten
gerade zu Beginn der Pandemie Mund-Nasen-Schutz oder Hygieneartikel
angeboten, die Ware aber nie geliefert, berichtete de Vries. «Die
Menschen waren im Home-Office und haben mehr Zeit im digitalen Raum
verbracht. Das haben sich Kriminelle zunutze gemacht.» So sei in
Fake-Shops alles Mögliche für im Urlaub Daheimgebliebene angeboten
worden - vom Garten-Swimming-Pool bis zur Spielkonsole.

Darüber hinaus wurden ältere Menschen häufiger Opfer von Betrügern,

beim sogenannten Enkeltrick gab es einen Anstieg von 89 Prozent, bei
falschen Polizeibeamten um knapp 31 Prozent. Die soziale Isolation
aus Angst vor Ansteckung mit dem Virus könne ein Grund dafür sein,
vermutet der LKA-Chef. Senioren hätten weniger Gelegenheiten gehabt,
sich mit Angehörigen oder Nachbarn auszutauschen. «Sie werden
manchmal von den Kriminellen über Wochen am Telefon bedrängt und in
die Enge getrieben.» Teilweise hätten die Betrüger auch vorgegeben,
sie kämen vom Gesundheitsamt. Im Rahmen von vermeintlichen
Covid-19-Überprüfungen wurden die Opfer zur Herausgabe von Geld oder
Schmuck gedrängt.

Einen Anstieg von häuslicher Gewalt, wie von manchen Beratungsstellen
zu Beginn des Coronavirus-Ausbruchs befürchtet, beobachtete die
niedersächsische Polizei nicht. Das Anzeigeverhalten zur häuslichen
Gewalt sei relativ konstant geblieben, sagte der LKA-Leiter: «Wir
sehen weder eine Veränderung nach oben noch nach unten. Auch wenn wir
nur das Hellfeld betrachten können.»

Eine Koordinierungsstelle wurde beim LKA wegen des Betrugs mit
Corona-Soforthilfen eingerichtet. Sie beschäftigt sich mit landesweit
rund 650 Subventionsbetrugsfällen mit knapp 3,5 Millionen Euro
Schaden. «Das wird gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft
standardisiert aufgearbeitet», sagte de Vries. Kriminelle hatten zum
Beispiel Betriebe und Beschäftigte gemeldet, die es gar nicht gab,
als über die NBank unbürokratisch Hilfen ausgezahlt wurden.

2020 wird ein besonderes Jahr in der Polizeilichen Kriminalstatistik
werden - das ist schon jetzt klar. In anderen Jahren bewegen sich die
Schwankungen im einstelligen Bereich, gut 506 000 Fälle waren 2019
bekanntgeworden. Das Minus in der Eingangsstatistik von 14 Prozent
schon Ende August sei ungewöhnlich, sagte der LKA-Präsident.