Abendmahl in der Corona-Krise mit besonderen Hostien Von Mirjam Uhrich, dpa

Einen Kelch mit Wein zum Abendmahl herumreichen? In der Corona-Krise
ist das undenkbar. Viele Gemeinden möchten trotzdem nicht auf den
Wein verzichten. Eine Bäckerei backt deshalb nun Weinhostien.

Neuendettelsau (dpa) - Den Geistesblitz hatte die Pfarrerin einer
fränkischen Gemeinde beim Backen. «Ich habe für meinen Sohn einen
Rotweinkuchen gebacken», erzählt Julia Kleemann. Dabei habe sie
gegrübelt, wie sie bei den anstehenden Konfirmationen Abendmahl
feiern könnte. «Ich habe mir gedacht: Eigentlich muss es doch möglich

sein, Wein in den Hostien zu verbacken. Genauso wie bei meinem
Kuchen.» So könne auf den Kelch beim Abendmahl verzichtet werden.
Kurzentschlossen rief sie bei der Hostienbäckerei in Neuendettelsau
(Landkreis Ansbach) an und erzählte von ihrer Idee.

«Wir haben schon ein paar Testläufe gebraucht», sagt Sabine
Sauernheimer, während sie in der Bäckerei Teig auf die dampfenden
Hostieneisen schöpft. «Das Problem ist der Fruchtzucker des Weins.
Der Teig ist ganz anders, bleibt am Eisen kleben und bricht viel
leichter.» Doch nach einer Woche Tüfteln hätten sie die Rezeptur
gefunden: Sechs Liter Wasser, ein Liter halbtrockener Bacchus und 14
Schaufeln Mehl.

Jeden Morgen rühren Sauernheimer und ihre Kolleginnen den nun leicht
gelblichen Teig an. Dann reiben sie die drei Hostieneisen mit
Bienenwachs ein und heizen sie auf 90 Grad. Ein Schöpfer Teig pro
Eisen, dann wenige Minuten backen. Über Nacht lagern die
Hostienplatten in einem Raum mit mehreren Eimern Wasser, bevor sie
ausgestanzt werden.

Vor Renate Bürkel türmen sich inzwischen die Hostien. «Normalerweise

verpacken wir hundert Stück in einer Rolle», erzählt die
Mitarbeiterin der Bäckerei. Doch wegen der Corona-Krise fummelt sie
nun jede Hostie einzeln in eine kleine Plastiktüte. So soll die
Hostie kontaktlos übergeben werden können. Umweltbewusste Gemeinden
können die Weinhostien gegen einen Aufpreis auch in kompostierbaren
Zellophanhüllen bestellen.

Rund 140 Gemeinden in Deutschland und Österreich haben schon
Weinhostien geordert, berichtet Diakonie-Sprecherin Manuela Renner.
Die Gläubigen können beim Abendmahl die Hostie einzeln abholen und
zurück auf der Kirchenbank dann gemeinsam mit den anderen
Gottesdienstbesuchern zu sich nehmen. «Uns war ganz wichtig, dass das
Abendmahl so wieder gemeinsam gefeiert werden kann.»

In der evangelischen Landeskirche gelten momentan strikte Regeln für
das Abendmahl: Die Gottesdienstbesucher müssen mindestens 1,50 Meter
Abstand zueinander halten. Die Hände müssen unmittelbar vor der
Austeilung desinfiziert werden, trotzdem muss die Hostie möglichst
ohne Berührung überreicht werden. Wein kann nur in Einzelkelchen
ausgeteilt werden. Möglich sei auch, dass Austeilende die Hostie in
einen Kelch mit Wein tauchen, am Kelchrand abtupfen und in die Hand
des Gottesdienstbesuchers legen. Die Weinhostie sei da eine
interessante Alternative, sagte ein Sprecher der Landeskirche.

In der katholischen Kirche nehmen sowieso nur Priester und
Kommunionhelfer Hostie und Wein zu sich, betonte ein Sprecher des
Erzbischöflichen Ordinariats München. Gottesdienstbesucher empfangen
in der Regel nur die Hostie. Außerdem gelte für die Herstellung der
Hostien in der katholischen Kirche eine Art Reinheitsgebot, erklärt
eine Sprecherin des Erzbistums Bamberg. «Gemäß der katholischen
Tradition werden Hostien ausschließlich aus den Zutaten Weizenmehl
und Wasser gebacken. Deswegen ist eine Weinhostie für Katholiken kein
Thema.»

Im Internet gebe es auch Anfeindungen, berichtet Renner von der
Diakonie Neuendettelsau. Gerade von katholischer Seite, aber auch
einige evangelische Kirchen seien skeptisch. «Das muss jeder für sich
entscheiden. Unsere Theologen sagen, dass absolut nichts dagegen
spricht.»

In der Neuapostolischen Kirche hat die Weinhostie sogar Tradition.
Seit 1917 werde zum Abendmahl eine Hostie gereicht, die mit drei
Tropfen Rotwein beträufelt ist. Das habe auch hygienische Gründe,
erklärt eine Sprecherin der Neuapostolischen Kirche. «In den Jahren
zuvor hatte es Grippe-Epidemien gegeben und gegen Ende des Ersten
Weltkriegs grassierte eine schreckliche Grippe-Pandemie.»

Die Kirchengemeinde Alesheim/Trommetsheim von Pfarrerin Julia
Kleemann muss sich noch an die besonderen Hostien gewöhnen. «Wir sind
eine Dorfgemeinde in Franken, da ist noch alles sehr traditionell.»
Doch eine Konfirmation ohne Abendmahl wäre erst recht undenkbar
gewesen. «So konnte ich die Hostien schon vor dem Gottesdienst in den
Kirchenbänken verteilen», erzählt Kleemann. Während der Konfirmand
am
Taufstein einzeln die Weinhostie erhalten habe, konnte die Familie
zeitgleich auf ihren Plätzen das Abendmahl feiern. «Ich hatte das
Gefühl, dass das ganz gut war.» Ihre Gemeinde habe jedenfalls schon
Nachschub bestellt.