St. Pauli feiert das Ende des Prostitutionsverbots

Ein halbes Jahr waren Prostituierte im berühmten Hamburger Kiez St.
Pauli wegen Corona mit Berufsverbot belegt. Andere körpernahe
Dienstleistungen sind längst wieder zugelassen. Nun soll auch das
Rotlicht wieder angehen.

Hamburg (dpa) - Mit einer Kunstaktion und einem Fest in der
Herbertstraße will die Gruppe Sexy Aufstand Reeperbahn am Dienstag
(15.9.) nach monatelangem Corona-Shutdown die Wiederzulassung der
Prostitution in Hamburg feiern. «Wir sind wirklich happy», sagt
Hanna, die Sprecherin der Gruppe aus Sexarbeiterinnen und
Bordellbetreibern, die sich seit Monaten dafür einsetzt, dass das
Rotlicht auf St. Pauli wieder angeht. «Nichtsdestotrotz ist es ja so,
dass wir nicht wissen, wie sich das Geschäft entwickelt.»

Gleich zu Beginn der Corona-Einschränkungen im März war auch die
Prostitution verboten worden. Während andere sogenannte körpernahe
Dienstleistungen längst wieder in Tattoo-, Piercing-, Waxing- oder
Massagestudios angeboten werden, kommt das «älteste Gewerbe der Welt»

spät aus dem Lockdown. Und nicht spurenlos. «Wir haben alle einen
hohen Schuldenberg, den wir noch abarbeiten müssen. Und der Sommer,
in dem unser Hauptgeschäft läuft, ist vorbei», sagt Hanna.

Auch für die Betreiber der behördlich genehmigten Bordelle sei es
eine schlimme Zeit gewesen: monatelang ohne Einkünfte. «Die kriechen
wirklich auf dem Zahnfleisch», sagt Andy, Gastronom auf St. Pauli und
nach eigenen Angaben einziger Mann beim Sexy Aufstand Reeperbahn. Das
Geschäft mit dem Sex sei derweil illegal in privaten Wohnungen und in
Parks gelaufen. Ab Dienstag solle es nun auch für die genehmigten
Prostitutionsstätten wieder besser werden. Und das wolle man feiern.

«Wir erwarten viele Leute, die uns in den letzten Monaten unterstützt
haben.» Auch Frauen, die nicht in der Herbertstraße arbeiten und die
ansonsten von ihren dort in Schaufenstern sitzenden
Geschlechtsgenossinnen nicht gern hinter den eisernen Toren gesehen
werden, seien willkommen. «Das ist die letzte Gelegenheit, wo die
Tore der Herbertstraße geöffnet werden», sagt Andy. «Das wird ein
kleines Eröffnungsfest.» Als Höhepunkt soll ein Gemälde der Malerin

Maaike Dirkx enthüllt werden, die sich mit dem Kiez auseinandersetzt.

Die Damen vom Sexy Aufstand Reeperbahn haben schon Mitte Juli einen
eigenen Hygieneplan vorgelegt, mit dem sie zeigen wollten, wie das
Sexgeschäft auch in Corona-Zeiten unter Berücksichtigung des
Infektionsschutzes stattfinden kann: nur Sexstellungen, die einen
gewissen Abstand zwischen den Köpfen der Prostituierten und ihren
Kunden garantieren, kein Austausch von Körperflüssigkeiten, ständiges

Lüften und vieles mehr. Doch die Behörden hielten an dem Verbot fest.

Vor gut einer Woche reichten die Anwälte zweier Sexarbeiterinnen und
zweier Bordellbetreiber aus der Herbertstraße dagegen einen Eilantrag
beim Verwaltungsgericht Hamburg ein - stellvertretend für die ganze
Branche. Der dürfte nun mit der Wiederzulassung der Prostitution
eigentlich erledigt sein. Zurückgezogen habe man ihn aber bislang
nicht, sagt Rechtsanwältin Kerstin Gröhn. «Wir wollen warten, bis die

Verordnung in Kraft tritt.»

In dieser Verordnung ist geregelt, wie die Prostitution ab Dienstag
unter strengen Auflagen wieder stattfinden kann. Um mögliche
Infektionen nachverfolgen zu können, seien die Prostituierten
verpflichtet, Kontaktlisten zu führen und nach Terminabsprache zu
arbeiten, sagt die auch für Gesundheit zuständige Sozialsenatorin
Melanie Leonhard (SPD). «Nicht zulässig sind weiterhin
Prostitutionsveranstaltungen und Prostitution in Fahrzeugen.»

Die Verordnung stimme fast vollständig mit dem Hygienekonzept der
Sexarbeiterinnen überein, sagt Gröhn. Einzige Ausnahme: Oralsex, für

den die Prostituierten den Mund-Nase-Schutz gern hätten abnehmen
wollen. «Das erlaubt die Verordnung so aber nicht.»

Ausschlaggebend für die Wiederzulassung sei gewesen, dass sie im
Einklang mit den benachbarten Bundesländern erfolge, sagt Senatorin
Leonhard. Auch in Schleswig-Holstein und Bermen ist Prostitution ab
Dienstag unter strengen Auflagen wieder erlaubt - streng offiziell
auch erst dann wieder in Niedersachsen. Allerdings setzte dort
bereits Ende August das Oberverwaltungsgericht die von der
Landesregierung angeordnete Schließung von Bordellen und ähnlichen
Einrichtungen außer Vollzug.