Psychiatrie-Insassen sollen Pfleger bei Flucht eingesperrt haben Von Uwe Roth, dpa

Weil sie zwei Pflegekräfte eingesperrt haben sollen, um zu fliehen,
stehen zwei Ex-Insassen einer Psychiatrie vor Gericht. Zur Tat sagen
sie nichts - richten sich aber direkt an ihre Opfer von damals.

Tübingen (dpa/lsw) - Zwei ehemalige Patienten einer forensischen
Psychiatrie in Calw sollen zwei Pflegekräfte eingesperrt haben, um zu
fliehen. Seit Freitag müssen sich die 25 und 42 Jahre alten
Angeklagten vor dem Landgericht Tübingen wegen Freiheitsberaubung,
Raub und Erpressung verantworten. Die Staatsanwaltschaft will den
beiden Männern nachweisen, dass diese vor ihrem Ausbruch eine
Pflegerin und einen Pfleger massiv bedrängt und verletzt hatten, um
an einen Schlüsselchip und an die mobilen Stationstelefone zu kommen.
Außerdem sollen die Angeklagten die Pfleger auf der Station
eingesperrt haben, um ungestört mit dem Chip ins Freie gelangen zu
können.

Die Flucht im April 2019 misslang letztlich. Sie selbst ist kein
strafbares Delikt. Für das Strafmaß zähle, so der Staatsanwalt, die
Schwere der drei Anklagepunkte.

Die Angeklagten machten am Freitag zu den Vorgängen auf der Station
keine Angaben. Ihre Verteidiger verlasen eine kurze Erklärung, nach
der die Flüchtenden Chip und Telefon gut sichtbar auf dem Gelände der
Anstalt hinterlassen hätten - als Argument gegen den Raubvorwurf. Die
beiden Pflegekräfte schilderten als Zeugen, dass die Angeklagten den
Überraschungseffekt genutzt hätten. So hatte die Pflegerin nach
eigener Aussage in beiden Händen ein Tablett gehalten, als einer der
Männer ihr die Gegenstände aus den Hosentaschen zog.

Größere Blessuren hätten sie nicht davongetragen, sagten beide
Zeugen. Da sie einen solchen Ausbruch noch nicht erlebt hätten, sei
aber eine psychische Belastung zurückgeblieben. Die beiden
Angeklagten, die jetzt in verschiedenen Haftanstalten untergebracht
sind, entschuldigten sich bei ihren früheren Pflegern.

Der 25- und der 42-Jährige blicken nach eigenen Angaben auf eine
Drogenkarriere zurück, die bereits in der Kindheit begonnen hatte.
Wegen ihrer Abhängigkeit seien sie immer wieder mit dem Gesetz in
Konflikt geraten und hätten mehrere Haftstrafen abgesessen. Bei ihrem
Ausbruchsversuch waren sie laut den Zeugen jedoch drogen- und
alkoholfrei. Sie hatten zurück ins Gefängnis gebracht werden sollen,
weil die Therapie in der Psychiatrie in Calw nicht erfolgreich war.

Die Verhandlung soll am Montag fortgesetzt werden. Insgesamt hat das
Gericht vier Termine angesetzt. Ein Urteil könnte es am
kommenden Mittwoch geben.