Corona-Pandemie wirkt sich schlecht auf Hessens Ausbildungsmarkt aus

Die Corona-Pandemie erschwert die Suche nach einem Ausbildungsplatz.
Das hat vielfältige Gründe. Experten befürchten, dass sich die Lage
im kommenden Jahr sogar zuspitzen könnte.

Wiesbaden (dpa/lhe) - Die Corona-Pandemie hat die Lage auf dem
Ausbildungsmarkt in Hessen merklich verschlechtert. Die Zahl der
abgeschlossenen Ausbildungsverträge sei bisher deutlich niedriger als
im vergangenen Jahr, erklärten Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir
(Grüne) und der Chef der Regionaldirektion der Bundesagentur für
Arbeit, Frank Martin, am Donnerstag in Wiesbaden. Dies geht nach
Angaben einer Ministeriumssprecherin aus den Rückmeldungen der
Kammern hervor. Die Handwerkskammern hätten von einem Rückgang der
Zahl der Ausbildungsverträge um 14,1 Prozent berichtet, die
Industrie- und Handelskammern von minus 15,7 Prozent (Stand Ende
August).

Nicht nur die Unternehmen würden weniger Ausbildungsstellen
ausschreiben, erklärte Martin. Auch viele junge Menschen seien
verunsichert und würden sich seltener als noch im vergangenen Jahr
für eine Ausbildung entscheiden. Durch die Corona-Krise hätten sich
die Entscheidungsprozesse merklich verzögert. Viele junge Menschen
blieben daher womöglich länger auf einer Schule.

Der Ausbildungsmarkt in diesem Jahr ist nach den Worten von Martin
dennoch mit einem «blauen Auge» davongekommen. Viele Verträge seien
schon vor der Krise in trockenen Tüchern gewesen. «Das Hauptrisiko
wird im nächsten Jahr liegen», prognostizierte der Agentur-Chef. Dann
könne sich die derzeitige Zurückhaltung der Betriebe beim Melden
freier Ausbildungsplätze zeigen. Außerdem strömten dann zusätzlich

zum aktuellen Jahrgang die Jugendlichen auf den Ausbildungsmarkt, die
2020 noch gezögert hätten.

Die duale Berufsausbildung gehe aber trotz der Corona-Pandemie
weiter, betonte Martin. «Wir werden auch in diesem Jahr jedem
Jugendlichen ein Angebot unterbreiten und alles dafür tun, damit es
nicht zu einer Generation-Corona kommt.» Der Fokus liege nun ganz
klar auf der Nachvermittlung und der Intensivierung der
Informationskampagnen.

Wie wichtig eine berufliche Qualifikation ist, zeigten die aktuellen
Zugänge in Arbeitslosigkeit, betonte Al-Wazir. Mehr als die Hälfte
des coronabedingten Anstiegs gehe auf Arbeitslose ohne
Berufsabschluss zurück. «Es gibt keine bessere Versicherung gegen
Arbeitslosigkeit als eine Berufsausbildung.» Martin erläuterte:
«Geringqualifizierte werden eher arbeitslos und finden in
Krisenzeiten noch schwerer in den Arbeitsmarkt zurück.»

Al-Wazir kündigte ein neues Programm für Ausbildungsverbünde kleiner

und mittlerer Unternehmen an, um dort Stellen für derzeit noch
unversorgte Bewerberinnen und Bewerber zu schaffen. Hessen ergänze
damit die Förderprogramme des Bundes, erklärte der Minister. «Unsere

Angebote reichen bis ins kommende Ausbildungsjahr, und sie
beschränken sich nicht nur auf die unmittelbar coronageschädigten
Unternehmen». Das Land wolle den Ausbildungsmarkt insgesamt
stabilisieren.

Dass die Arbeitslosenzahlen immer noch unter den Werten der
Finanzkrise lägen, sei auch eine Auswirkung des Kurzarbeitergeldes.
«Entlassungen spielen derzeit keine große Rolle. Allerdings agieren
die Betriebe erkennbar zurückhaltend, wenn es um Neueinstellungen
geht», erklärte Martin.

Von März bis August seien bei den hessischen Arbeitsagenturen
Kurzarbeit-Anzeigen für knapp 912 000 Männer und Frauen eingegangen.

Im Mai sei für etwa 517 000 Menschen in 40 000 hessischen Betrieben
Kurzarbeitergeld ausgezahlt worden.