Athen bringt 400 Minderjährige aus Moria zum Festland

Tausende schlafen am Straßenrand. Es riecht nach verbranntem Plastik.
Das Drama der Migranten auf Lesbos dauert an. Athen sucht nach
Lösungen. Und die Angst vor dem Coronavirus greift um sich.

Athen/Lesbos (dpa) - Nach dem Großbrand im Flüchtlingslager von Moria
hat Griechenland die ersten Lager-Insassen aufs Festland gebracht.
Etwa 400 Minderjährige, die ohne Begleitung ihrer Eltern unterwegs
sind, wurden am Mittwochabend und am Donnerstag von der Insel Lesbos
in die Hafenstadt Thessaloniki geflogen. Der stellvertretende
Migrationsminister Giorgos Koumoutsakos schloss allerdings aus, dass
auch erwachsene Migranten die Insel verlassen dürfen. Im
Nachrichtensender Skai sagte er: «Wer denkt, er könne zum Festland
und dann nach Deutschland reisen, der soll es vergessen.»

Mehr als 24 Stunden nach Ausbruch des Feuers gab es immer noch keine
offiziellen Angaben, wie viele Menschen obdachlos wurden. Zuletzt
hielten sich in Moria und unmittelbarer Umgebung etwa 12 500
Migranten auf. Tausende mussten die Nacht unter freiem Himmel auf den
Straßen rund um das Camp verbringen. Mehrere neue kleine Brände
konnte die Feuerwehr löschen. Die Feuer hätten übrig gebliebene Zelte

und andere provisorische Unterkünfte zerstört, berichtete das
Staatsfernsehen. In der Luft lag der Gestank von verbranntem Plastik.

Vize-Minister Koumoutsakos sagte: «Niemand in Europa hat sich bislang
mit einem solchen Zustand auseinandergesetzt.» Die griechische
Regierung müsse sich jetzt nicht nur um die Folgen des Brandes
kümmern, sondern auch um die Angst der Menschen auf Lesbos vor
Verbreitung des Coronavirus. Man sei auf der Suche nach einem
geeigneten Ort, wo Zelte aufgeschlagen werden könnten. Vonseiten der
örtlichen Behörden gebe es aber keine Antwort. Zudem will die
Regierung Migranten auf Schiffen unterbringen.

Zuvor hatte das Migrationsministerium keinen Hehl daraus gemacht, wer
die Brände am Mittwoch in Moria gelegt haben soll. Hinter
vorgehaltener Hand hieß es, hinter den Bränden steckten radikale
Migranten. Am Donnerstag veröffentlichte das Ministerium eine
schriftliche Erklärung mit den Worten: «Erpressungstaktiken werden
nicht akzeptiert.» Die Polizei stoppte mehrere jugendliche Migranten,
die versuchten, in die Hauptstadt der Insel zu kommen. Zuvor hatten
einige Jugendliche auf die Beamten Steine geworfen. Die Polizei
setzte Tränengas ein.

Groß ist auf Lesbos die Angst vor einem Ausbruch der Corona-Epidemie,
der nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist. Nach offiziellen
Angaben wurden 35 Migranten positiv auf das Virus getestet. Nach dem
Großbrand sind viele von ihnen nicht mehr aufzufinden. Befürchtet
wird, dass sie Tausende andere Menschen mit dem Virus anstecken
könnten. Bislang habe die Polizei nur acht infizierte Migranten
aufgreifen können, teilte die Regierung mit.

Am Morgen lief eine Fähre, die «Blue Star Chios», im kleinen Hafen
Sigri im Westen der Insel ein. Das Schiff soll etwa 1000 Migranten
aufnehmen. Andere Migranten sollen in den nächsten Tagen auf zwei
Schiffen der griechischen Kriegsmarine eine vorübergehende Bleibe
finden.