Hochrechnung: Wohl deutlich mehr Amerikaner hatten Corona als bekannt

New York (dpa) - In den USA haben sich einer Hochrechnung zufolge zu
Beginn der Corona-Pandemie wohl rund neun Mal so viele Menschen mit
dem Virus infiziert als nach den offiziellen Statistiken bekannt. Im
Zeitraum von etwa Mitte Januar bis Mitte April habe es im Land
womöglich bereits rund sechseinhalb Millionen Fälle gegeben,
schreiben die Wissenschaftler um Jade Benjamin-Chung und Sean Wu von
der University of California in Berkeley im Fachjournal «Nature
Communications». Offizielle Statistiken geben für diesen Zeitraum 721
245 Fälle an. In den USA leben rund 330 Millionen Menschen.

Eine deutliche Dunkelziffer bei den Corona-Zahlen gibt es nach
Experteneinschätzung auch in etlichen anderen Ländern, zum Beispiel
auch in Indien und Brasilien. Die tatsächliche Lage spielen die Werte
daher nur bedingt wider. Vergleiche zwischen Ländern nach den
offiziellen Statistiken haben zudem nur eingeschränkt Aussagekraft.

Die Differenz liege in den USA unter anderem in der geringen Zahl von
Tests begründet, so die Forscher. Zu Beginn der Ausbreitung in den
USA seien in Krankenhäusern nur Patienten mit gemäßigten bis starken

Symptomen getestet worden - viele Infizierte haben jedoch nur milde
oder überhaupt keine Symptome. Zudem hätten nicht alle Tests akkurate
Ergebnisse geliefert.

Die Forscher analysierten die Zahlen für alle US-Bundesstaaten. Die
meisten Infektionen gab es demzufolge im Nordosten, dem Mittleren
Westen und Louisiana im Süden. Insgesamt kommen sie für den Zeitraum
von etwa Mitte Januar bis Mitte April auf rund sechseinhalb Millionen
Infektionen - das wären 19 von 1000 Menschen und rund neunmal mehr
als nach den offiziellen Angaben.

Bereits im Juni hatten Vertreter der Gesundheitsbehörde CDC davon
gesprochen, dass in den USA wohl wesentlich mehr Menschen mit dem
Coronavirus infiziert gewesen seien als bislang bekannt. «Für jeden
Fall, den wir verzeichnet haben, gab es wahrscheinlich zehn weitere
Infektionen», hatte CDC-Direktor Robert Redfield gesagt.

Die Behörde gibt derzeit für die USA gut 6,3 Millionen bekannte
Corona-Infektionen an - mehr nachgewiesene Fälle als jedes andere
Land der Welt. Rund 190 000 Menschen starben laut CDC infolge einer
Covid-19-Erkrankung. Wissenschaftler befürchten einem viel beachteten
Modell zufolge bis zum Jahresende mehr als 410 000 Corona-Tote in den
USA.