Ende pauschaler Reisewarnung - Tui sichert sich weitere Staatshilfe Von Carsten Hoffmann und Friederike Marx, dpa

Die Corona-Krise trifft die Tourismusindustrie mit voller Wucht. Nun
führt die Bundesregierung wieder Reisewarnungen für einzelne Länder
statt der pauschalen Warnung für 160 Staaten ein. Aus Sicht der
Branche ist dies aber nicht mehr als ein erster «zaghafter» Schritt.

Berlin (dpa) - Kleiner Hoffnungsschimmer für die Reisebranche: Die
pauschale Reisewarnung für fast alle gut 160 Länder außerhalb der EU

und des Schengen-Raums wird am 30. September enden. Danach soll es
nach einem Beschluss des Bundeskabinetts auf die Lage in den
einzelnen Staaten zugeschnittene Bewertungen geben. An der
Möglichkeit zu reisen, werde sich damit aber praktisch wohl wenig
ändern, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes (AA) am Mittwoch.
Wie hart die Corona-Krise die Branche trifft, zeigt das Beispiel Tui.

Der weltgrößte Reisekonzern machte am Mittwoch den Weg frei für eine

weitere staatliche Milliarden-Hilfe zur Überbrückung des
coronabedingten Geschäftseinbruchs. Um die Krise zu überstehen, hat
sich Tui nun Staatshilfen im Umfang von drei Milliarden Euro
gesichert. Ein im April gewährter Kredit der staatlichen Förderbank
KfW über 1,8 Milliarden Euro soll um 1,05 Milliarden Euro aufgestockt
werden. Überdies sollen 150 Millionen Euro über eine Wandelanleihe an
Tui gehen, die der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes
zeichnet. Tui fährt einen harten Sparkurs mit Stellenstreichungen und
geringeren Investitionen.

Mit Blick auf die Reisewarnung sagte eine AA-Sprecherin: «Ab Oktober
kehren wir zu einem individuellen System für jedes Land zurück.»
Reisewarnungen für Länder mit Risikogebieten werde es weiter geben.
Diese könnten auch aufgehoben werden, wenn es beispielsweise
Quarantänebestimmungen gebe. Allerdings könne in einem solchen Fall
dringend von Reisen abgeraten werden.

Der Reiseverband DRV bezeichnete die Entscheidung als «einen
zaghaften Schritt in die richtige Richtung». Faktisch ändere sich für

die Kunden und die Branche aber nur wenig. «Es bleibt die
Ungewissheit, wann wieder gereist werden kann und wann Unternehmer
und Beschäftigte wieder etwas für ihren Lebensunterhalt verdienen
können», sagte DRV-Präsident Norbert Fiebig.

Auch nach dem 1. Oktober werde für fast alle Länder weiterhin eine
Reisewarnung bestehen. Fiebig forderte, nur Orte und Landkreise, die
den Grenzwert des Robert Koch-Instituts (RKI) überschritten, sollten
künftig als Risikogebiet ausgewiesen und dann auch mit einer
Reisewarnung belegt werden - der Rest einer Region eines Landes
jedoch nicht. «Hier müssen den Ankündigungen der Bundesregierung
jetzt auch zeitnah Taten folgen.»

Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der
Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), sprach ebenfalls von einem
Schritt in die richtige Richtung. Sollte allerdings das Vorhaben von
Bund und Ländern umgesetzt werden, dass von Oktober an alle
Reiserückkehrer aus Risikogebieten nicht mehr getestet würden,
sondern in Quarantäne müssten, «hätte dies einen erneuten Lockdown

des internationalen Reiseverkehrs zur Folge», warnte von Randow.

Eine Reisewarnung ist kein Verbot, soll aber eine erhebliche
abschreckende Wirkung haben. Allerdings hat sie auch eine positive
Seite für Verbraucher: Sie ermöglicht es Reisenden, Buchungen für
Pauschalreisen kostenlos zu stornieren. Die Reisewarnung erfolgt
unabhängig von der Einstufung von Ländern als Risikogebiet.

Am 17. März hatte Außenminister Heiko Maas (SPD) wegen der steigenden
Corona-Infektionszahlen eine beispiellose Maßnahme verkündet: Eine
Warnung vor touristischen Reisen in alle rund 200 Länder der Welt.
Erst im Juni - unmittelbar vor Beginn der Haupturlaubszeit - wurden
die Länder der Europäischen Union, des grenzkontrollfreien
Schengen-Raums sowie Großbritannien, Andorra, Monaco, San Marino und
der Vatikanstaat ausgenommen.

Aktuell gelten innerhalb Europas allerdings Reisewarnungen zum
Beispiel für Spanien sowie Teile Frankreichs und Kroatiens. Die
wurden am Mittwochabend vom Auswärtigen Amt noch einmal ausgeweitet.
Betroffen sind nun etwa auch Genf, Prag, Dubrovnik oder die Insel
Korsika.

Die Tourismusindustrie zählt mit zu den am härtesten von der
Corona-Krise getroffenen Branchen. Der DRV fürchtet eine Pleitewelle.
Laut einer Umfrage des Verbandes unter fast 650 Unternehmen sehen
sich mehr als 60 Prozent der Reisebüros unmittelbar von der Insolvenz
bedroht. Bei den Reiseveranstaltern sind es gut die Hälfte.