Generalabrechnung mit Gebauer - Opposition will Schulgipfel Von Dorothea Hülsmeier, dpa

Eigentlich ging es nur um die Luft in Klassenräumen. Doch dann wuchs
sich eine Ausschusssitzung im NRW-Landtag zu einer Abrechnung mit der
Corona-Schulpolitik der Landesregierung aus. Auf allen Seiten hat
sich eine Menge Ärger angestaut.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Eine Detailfrage zur Belüftung von
Klassenräumen ist im Landtag zu einer Generalabrechnung mit der
Corona-Schulpolitik der schwarz-gelben Landesregierung eskaliert. Die
SPD-Opposition warf Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Mittwoch
im Schulausschuss «Unfähigkeit und Inkompetenz» vor.

Anstatt mit den kommunalen Spitzenverbänden bei den Corona-Maßnahmen
zusammenzuarbeiten, hetze das Ministerium die Menschen in den Schulen
gegeneinander auf, sagte der SPD-Schulexperte Jochen Ott. Gebauer
ignoriere die Kritik von Schulleitern und Eltern. «Sie sind in einem
Tunnel angekommen, in dem Sie die Realität im Land nicht mehr
wahrnehmen.» Die Regierung betreibe «ein Pokerspiel» angesichts der
noch unklaren Infektionslage im Herbst und Winter.

Statt der angesetzten Aktuellen Viertelstunde zum Thema Belüftung von
Klassenräumen warfen sich die Parteien fast eineinhalb Stunden
gegenseitig Fehler auf allen Feldern der Schulpolitik vor. In einem
gemeinsamen Antrag für das Plenum kommende Woche fordern SPD und
Grüne nun einen Schulgipfel. Die Situation in den Schulen habe «zur
großen Verunsicherung bei Schulleitungen, Lehrkräften, Trägern,
Eltern sowie Schülerinnen und Schülern geführt». Zahlreiche Fragen

vom Zustand der Schulgebäude über die Umsetzung des
Präsenzunterrichts bis zu einem Konzept für das digitale Lernen seien
ungeklärt.

Besonders aussichtsreich ist der Vorstoß für einen Schulgipfel
allerdings nicht. Gebauer wiederholte am Mittwoch, sie stehe ständig
im Austausch mit allen am Schulleben Beteiligten.

Gebauer zog dagegen eine durchweg positive Bilanz des Schulstarts
nach den Sommerferien. 97,7 Prozent der Schulen seien Anfang
September im Präsenzunterricht gewesen, und nur bei 2,3 Prozent habe
es Teilschließungen gebeben. 3,3 Prozent der Lehrkräfte seien wegen
der Corona-Pandemie nicht in den Schulen.

88 000 Schüler hätten das Abitur gemacht. Hunderttausende
schriftliche und mündliche Prüfungen seien für das Abitur oder die
mittlere Reife abgelegt worden. «Wären wir dem Rat der Opposition
gefolgt, wären wir das einzige Land geblieben, das deutschlandweit
keine Prüfungen abgelegt hätte», so Gebauer. Die Opposition habe ein

«Notabitur» gewollt und hätte «sehenden Auges» den Schülern dam
it
einen Nachteil verschaffen wollen.

NRW sei außerdem das erste und einzige Bundesland, das alle
Lehrkräfte mit digitalen Endgeräten ausstatte. Sie wolle der
SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken gern in Berlin erklären, wie NRW
sein Programm auf den Weg gebracht habe und dass 55 Millionen Euro
zusätzlich für bedürftige Schüler bereitgestellt würden.

Die Grünen-Abgeordnete Sigrid Beer warf der Regierung vor, die
Verantwortung in der Corona-Pandemie auf die Schulen und Schulträger
abzuschieben. «Die Verärgerung bei den Schulträgern über die
Konfusion in der Corona-Schulpolitik der Regierung Laschet ist
gewaltig», sagte sie mit Blick auf das Kabinett von Ministerpräsident
Armin Laschet (CDU). Von einem Regelunterricht könne unter den
derzeitigen Bedingungen nicht die Rede sein. Gebauer wische die
Kritik von Verbänden und Eltern aber einfach beiseite. «Sie leben in
einer anderen Welt.»

Die CDU-Regierungsfraktion konterte: «Mit leeren Worthülsen schüren
Sozialdemokraten und Grüne Angst im Land», so der CDU-Schulpolitiker
Frank Rock. Die Opposition instrumentalisiere die Sorgen von Eltern,
Lehrern und Schülern für ihren Anti-Regierungs-Kurs. Wenn SPD und
Grüne regieren würden, müssten die Schüler in leerstehenden Kirchen

oder zugigen Messehallen lernen, sagte Rock. Dass die Schulleiter im
Land solche Ausweichlösungen ablehnten, ignoriere die Opposition.

Ministerin Gebauer rechnete dann noch detailliert vor, wie es in der
Corona-Pandemie um die vorgeschriebene Belüftung in den
Unterrichtsräumen der rund 5500 öffentlichen Schulen in NRW steht -
das war ja der eigentliche Anlass der Debatte. Etwa 2,3 Prozent der
Räume könnten nicht ausreichend gelüftet werden. An zehn Prozent der

befragten Schulen seien insgesamt 22,6 Prozent der Klassenräume davon
betroffen, so die Ministerin. Hochgerechnet bedeute das, dass etwa
2,3 Prozent aller Unterrichtsräume nicht richtig gelüftet werden
könnten. Bei knapp 40 Prozent dieser Räume seien bauliche Mängel an
den Fenstern die Ursache. Damit könnten etwa ein Prozent aller
Unterrichtsräume wegen Mängeln an den Fenstern nicht ausreichend
gelüftet werden. Gebauers Fazit: «Von einem flächendeckenden
Missstand kann bei einem Anteil von einem Prozent der
Unterrichtsräume nicht die Rede sein.»