DocMorris-Mutter bei Amazon-Einstieg im Apothekenmarkt kampfbereit

Das elektronische Rezept kommt, der Markt für Arzneimittel steht vor
einem großem Wandel. Womöglich mischt auch Online-Gigant Amazon bald
mit. Europas größte Versandapotheke DocMorris sieht sich mit seinem
eigenen Rezept dafür gewappnet.

Frauenfeld (dpa) - Die größte europäische Versandapotheke DocMorris
und ihre Schweizer Mutter Zur Rose sehen sich für einen möglichen
Einstieg von Amazon in den Medikamentenmarkt gut gewappnet. «Wir
geben Gas, wir bauen unseren eigenen Online-Gesundheitsmarktplatz
auf», sagte der Chef der Zur Rose-Gruppe mit Sitz im schweizerischen
Frauenfeld, Walter Oberhänsli, der Deutschen Presse-Agentur. Die
Plattform soll noch in diesem Jahr in Deutschland starten. Dafür
reicht Oberhänsli stationären Apothekern, die in dem Konkurrenten
eher einen Branchenschreck sehen, die Hand. Sie sollen die Plattform
mitnutzen.

Amazon hat sich dem Apothekenmarkt mit dem Kauf von Pillpack in den
USA schon zugewandt, ein Einstieg in Europa gilt als Frage der Zeit.

Oberhänsli weist auch Gedankenspiele von Branchenspezialisten über
eine Fusion mit der zweitgrößten Versandapotheke Europas, Shop
Apotheke Europe, nicht von der Hand. «Wir wären dumm, wenn wir sagen
würden: Das kommt niemals in Frage», sagte Oberhänsli. «Im Moment
ist
das aber kein Thema.» Wenn Amazon nach der Zur Rose-Gruppe greifen
würde, müssten die Aktionäre über ein Angebot entscheiden.

Oberhänslis Vision: Ein Online-Marktplatz, der neben einem
E-Rezeptservice und Angeboten stationärer Apotheker auch
Serviceleistungen von Krankenkassen, Versicherungsprodukte und Apps
zum Gesundheitsmanagement anbietet. Gespräche mit Apothekenverbünden
liefen bereits. «Wir sind zuversichtlich, weil wir glauben, dass es
viele Apotheken gibt, die die Zukunft mitgestalten wollen.»

Zur Rose hat eigenen Angaben zufolge neun Millionen Kunden, acht
Millionen davon in Deutschland. Der Apothekenmarkt hatte nach einer
Analyse des Branchenbeobachters IQVIA 2019 einen Umsatz von 38
Milliarden Euro. Davon entfiel ein Marktvolumen von 33 Milliarden
Euro auf rezeptpflichtige Präparate.

Die Corona-Krise hat der Zur Rose-Gruppe im März einen rasanten Boom
beschert, auf den aber mit den Ausgehbeschränkungen im April und Mai
ein Einbruch folgte. «Wir liegen bei den Bestellungen jetzt in etwa
auf dem Niveau von vor der Krise, vielleicht etwas höher», so
Oberhänsli. Es seien deutlich mehr Hygienemittel, Vitamine und
Mineralstoffe bestellt worden.

Die Corona-Krise sei ein Paradigmenwechsel: «Sie beflügelt die
Akzeptanz für den Bezug von Arzneimitteln per Versand.» Der
Unternehmer rechnet damit, dass der Umsatz mit rezeptpflichtigen
Medikamenten in Deutschland bei Versandapotheken durch das E-Rezept
von heute 1,4 Prozent in drei bis fünf Jahren auf mehr als fünf
Prozent steigt. Seine Zielgruppe sind chronisch Kranke, die
regelmäßig Medikamente beziehen.

Als Plattformbetreiber würde die Zur Rose-Gruppe an Umsätzen mit
rezeptfreien Medikamenten anderer, die dort Dienste anbieten,
mitverdienen - wie Amazon auf seiner eigenen Plattform. Das
Unternehmen kassiert nach Branchenangaben 15 Prozent. Was Zur Rose
plant, sagt Oberhänsli nicht. Nur dies: «Wir orientieren uns nicht an
Amazon». Womöglich gebe es auch Sonderpreise in der Einführungsphase.