Regierung will Offensive für psychische Gesundheit starten

Immer mehr Menschen in Deutschland fehlen wegen psychischer
Krankheiten im Job. Experten erwarten neue Belastungen durch Corona.
Nun will die Bundesregierung mit einer umfassenden Strategie
gegensteuern.

Teltow (dpa) - Die Bundesregierung will eine Offensive für psychische
Gesundheit am Arbeitsplatz starten. Das kündigte
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Montag in Teltow an.
«Wir werden das dieses Jahr starten», sagte Heil beim Besuch einer
Reha-Einrichtung. Heil erwartet auch Auswirkungen der Corona-Pandemie
auf die psychische Gesundheit vieler Menschen. «Das wird eine ganze
Menge psychosozialer Folgen haben.» Die Krise sei für viele Menschen
ein Einschnitt und belaste die Psyche. Dies müsse langfristig
bearbeitet werden.

Beteiligt an der Offensive sollten auch Familienministerin Franziska
Giffey (SPD) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sein. «Wir
brauchen eine umfassende Strategie», sagte Heil. Im Kampf gegen das
Problem müsse Arbeitsmarktpolitik, Arbeitsschutz und Gesundheits-
sowie Familienpolitik Hand in Hand gehen.

Die Zahl der Tage mit Arbeitsunfähigkeit nach Krankschreibungen
steigt seit Jahren an - allein zwischen 2008 und 2016 um mehr als 60
Prozent. Besonders stark nahmen Krankheitstage wegen psychischer und
Verhaltensstörungen zu - um fast 125 Prozent. Bei Krankheiten des
Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes - nach wie vor die
häufigste Ursache - betrug die Zunahme nur 62 Prozent.

Psychische Belastungen am Arbeitsplatz könnten unterschiedliche
Ursachen haben, so Heil. Auch frühkindliche Belastungen,
Traumatisierung, genetische Disposition, aber auch körperliche
Erkrankungen könnten eine Rolle spielen. «So komplex das Bild ist, so
komplex muss die Strategie dagegen sein.» Beteiligt an der geplanten
Offensive würden etwa die Rentenversicherung als Trägerin von
Reha-Leistungen, die Unfallversicherung und
Selbsthilfe-Organisationen.

Zentral sei es zunächst, das Thema psychischer Leiden «aus der
gesellschaftlichen Tabuecke» zu holen. «Wir fangen an mit einer
Aufklärungskampagne», sagte Heil. Nicht getan sei es mit ein paar
einfachen Regelungen wie etwa in einer Anti-Stress-Verordnung. So
eine Verordnung wird seit Jahren von Gewerkschaften gefordert.

In der Corona-Krise könnten die Menschen darauf vertrauen, dass ihnen
auch geholfen werde, wenn sie nach der Akutphase noch weiter unter
einer Covid-19-Erkrankung leiden, sagte die Präsidentin der Deutschen
Rentenversicherung, Gundula Roßbach. Das gelte auch für psychische
Folgen. «Wir bieten auch Post-Covid-Rehabilitation.» Im Jahr 2019
erbrachte die Rentenversicherung rund 1,05 Millionen medizinische
Reha-Leistungen - 2000 waren es erst 836 000.

Experten erwarten steigende Reha-Zahlen infolge der Corona-Pandemie.
«Das Ganze rollt auf uns zu, wenn Corona vorbei ist», sagte der
Chefarzt der Abteilung Kardiologie des Reha-Zentrums Seehof in
Teltow, Eike Langheim.

Roßbach sagte, die Rentenversicherung unterstütze private Reha-Träger

in der Krise mit rund 400 Millionen Euro. An diesem Mittwoch will das
Bundeskabinett nach Heils Angaben das in dem Bereich maßgebliche
Sozialdienstleister-Einsatzgesetz verlängern.