Bund und Länder rüsten Gesundheitsämter im Kampf gegen Corona auf

Gesundheitsämter, Länder und Bund waren zu Beginn der Corona-Pandemie
oft nicht vernetzt genug, zudem fehlte Personal. Das soll sich jetzt
rasch ändern. Doch wird der 4-Milliarden-Euro-Pakt funktionieren?

Berlin (dpa) - Bund und Länder rüsten als Konsequenz aus der
anhaltenden Corona-Pandemie die Gesundheitsämter besser aus. Bis Ende
2022 sollen mindestens 5000 neue und unbefristete Vollzeitstellen im
Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) geschaffen werden, mindestens
1500 davon schon bis Ende kommenden Jahres. Allein 800 Millionen der
vom Bund insgesamt bereitgestellten 4 Milliarden Euro fließen in die
Digitalisierung. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am
Samstag bei der Vorstellung des «Pakts für den Öffentlichen
Gesundheitsdienst», Ziel sei eine Vernetzung über alle Ebenen. Unter
anderem daran hatte es zu Beginn der Pandemie gekrankt.

Daneben sollen die Gesundheitsämter und -behörden besser auf künftige

Pandemien vorbereitet werden. Außerdem geht es darum, die Arbeit im
Öffentlichen Gesundheitsdienst attraktiver zu machen, damit die neuen
Stellen überhaupt besetzt werden können. Die 375 Gesundheitsämter
spielen unter anderem beim Verfolgen von Infektionsketten sowie bei
Anordnungen von Tests und Quarantäne eine wesentliche Rolle.

Spahn sprach bei der Vorstellung der Beschlüsse mit der Vorsitzenden
der Länder-Gesundheitsminister, Berlins Senatorin Dilek Kalayci
(SPD), in Berlin von der größten Investition in diesen Bereich in der
Geschichte der Bundesrepublik. Auf die Frage, ob der Ausbau
realisierbar sei, sagte er, es gehe um 10 bis 20 Stellen pro
Gesundheitsamt. Dies könne innerhalb von zwei Jahren gelingen.
Kalayci sagte, die Umsetzung werde ein Kraftakt für Bund, Länder und
Kommunen. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass die
Gesundheitsbehörden eine zentrale Säule des Gesundheitssystems seien.

Der Ärzteverband Marburger Bund forderte, die Arbeits- und
Vergütungsbedingungen grundlegend zu verbessern. Angesichts der
Stellen, die schon jetzt nicht nachbesetzt werden könnten, blieben
die Pläne sonst eine Luftnummer, sagte die Vorsitzende Susanne Johna.
Der Deutsche Städtetag lobte, dass die Finanzierung des
Personalaufwuchses über 2026 hinaus verstetigt werden soll.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte in ihrem wöchentlichen
Video-Podcast: «Wenn unser Land bisher so verhältnismäßig gut durch

die Pandemie gekommen ist, wenn das Infektionsgeschehen nicht die
Ausmaße erreicht hat, die wir in anderen Ländern beobachten mussten,
dann hat das nicht zuletzt mit dem zu tun, was tagtäglich im
Öffentlichen Gesundheitsdienst geleistet wird.» Am Dienstag will sie
in einer Videokonferenz mit Verantwortlichen vor Ort sprechen.

Die Beschlüsse im Einzelnen:

PERSONAL: Mehr Stellen soll es auf allen Ebenen geben - in den
örtlichen Gesundheitsämtern und Behörden, den mit dem Thema befassten

Landesstellen sowie den obersten Landesbehörden. 90 Prozent der
Stellen sollen aber bei den Gesundheitsämtern geschaffen werden.

DIGITALISIERUNG: Die Kommunikationsplattform DEMIS (Deutsches
Elektronisches Melde- und Informationssystem für den
Infektionsschutz) soll bis Ende 2022 allen Gesundheitsbehörden in
Bund und Ländern zur Verfügung stehen. So sollen Meldeverfahren
beschleunigt und vereinfacht werden. Die Länder verpflichten sich
dazu, gemeinsame digitale Mindeststandards einzuhalten. Die Standards
sollen vom Bundesgesundheitsministerium mit den Ländern, Städten und
Kommunen sowie anderen Experten bis Frühjahr 2021 erarbeitet werden.

ATTRAKTIVITÄT: Damit die Stellen auch besetzt werden können, soll es
Anreize über das Besoldungsrecht, tarifvertragliche Regelungen und
andere Maßnahmen geben. Die Länder wollen auch für Verbesserungen f
ür
das beamtete ärztliche Personal sorgen. Damit das schnell geht, soll
jedes Land bis zu zehn Prozent seines Anteils aus dem Pakt nutzen
können. Bund und Länder wollen zudem eine vertiefte Verbindung des
ÖGD mit der Wissenschaft bei der Fort-, Aus- und Weiterbildung
erreichen. Medizinstudenten sollen künftig schon im Studium stärker
an die entsprechenden Themenfelder herangeführt werden.

ZUKUNFTSFÄHIGE STRUKTUREN: Der Öffentliche Gesundheitsdienst sei
zunehmend zentraler Ansprechpartner auch in der Gesundheitsförderung
und Prävention geworden, heißt es im Bund-Länder-Beschluss. Deswegen

soll der Gesundheitsdienst für kommende Pandemien und andere
nationale gesundheitliche Notlagen organisatorisch und rechtlich
besser aufgestellt werden. Die Grundlagen dafür soll ein externer und
unabhängiger Expertenbeirat schaffen.

INTERNATIONALE GESUNDHEITSSICHERHEIT: Deutschland hat der
Weltgesundheitsorganisation WHO schon vor Jahren Flug- und Seehäfen
benannt, bei denen besondere Vorrichtungen vorgehalten werden müssen
etwa im Kampf gegen Ebola. Dazu gehören laut Spahn etwa die Flughäfen
Frankfurt/Main, München, Berlin, Hamburg und Düsseldorf sowie die
Häfen in Hamburg und Bremen. Der Bund stellt nun 50 Millionen Euro
für ein Förderprogramm zur Stärkung dieser Strukturen bereit.

UMSETZUNG: Der Bund stellt den Ländern einmalig 3,1 Milliarden Euro
zur Verfügung - in sechs Tranchen. Dafür erhalten die Länder gegen
Nachweis Festbeträge im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung. Diese
Mittel sollen vorrangig in den Personalaufwuchs und für mehr
Attraktivität der Arbeit im ÖGD fließen. Die restlichen Gelder
fließen in den Aufbau von Strukturen, für Forschung und Evaluierung
sowie zur Stärkung von Bundesbehörden.