Macht das Smartphone krank? - Eltern in Sorge um ihre Kinder Von Christina Sticht, dpa

Während der coronabedingten Einschränkungen ermöglichten digitale
Medien Jugendlichen das Homeschooling und den Austausch mit Freunden.
Doch Smartphone und Co. haben nicht nur Vorteile, warnen Experten.

Hannover (dpa) - Wie lange bleibt das Handy abends im Kinderzimmer?
Welche Apps dürfen heruntergeladen werden? In vielen Familien ist das
Smartphone ein großes Streitthema. Hintergrund ist die Sorge der
Eltern, dass sich das stundenlange Daddeln oder Konsumieren von
Youtube & Co. negativ auf die Gesundheit ihres Nachwuchses auswirkt.
Das geht aus einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen
Krankenkasse KKH hervor. Demnach befürchtet die Hälfte der rund 1000
befragten Mütter und Väter eine suchtartige Nutzung des Smartphones,
auch Konzentrationsstörungen (44 Prozent) und zu wenig Bewegung (38
Prozent) werden als mögliche negative Folgen für die 10- bis
18-jährigen Töchter und Söhne gesehen.

Die Sorgen der Eltern seien berechtigt, sagte die KKH-Psychologin
Franziska Klemm am Donnerstag in Hannover. Tatsächlich gebe es
Anhaltspunkte, dass immer mehr Kinder und Jugendliche unter
Krankheiten leiden, die früher eher untypisch waren. Beispiele seien
motorische Störungen, Schlafstörungen oder Adipositas, also extremes
Übergewicht. Bei der Auswertung der Daten von 6- bis 18-jährigen
KKH-Versicherten wurde bei Sprach- und Sprechstörungen 2018 der
höchste Anstieg im Vergleich zu 2008 verzeichnet.

«Dass die Sprachentwicklung leidet, hat auch damit zu tun, wie Eltern
mit ihren Kindern kommunizieren», sagte der Neurowissenschaftler
Martin Korte von der Technischen Universität Braunschweig. Wichtig
sei, dass Kinder Gesicht und Mund der Eltern sehen, wenn diese mit
ihnen sprechen. Das sei nicht möglich, wenn Eltern dauernd hinter
ihren Geräten säßen oder auf dem Spielplatz ständig filmten.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte plädiert dafür, unter
Dreijährige komplett von Bildschirmmedien fernzuhalten. Eltern
sollten ein gutes Vorbild sein und Smartphone & Co. nie aus
Langeweile benutzen. «Spielen mit realen Dingen, Sprechen, Lesen,
Künstlerisches, Bewegung im Freien, Schlafen und Schule werden häufig
vernachlässigt», sehen die Mediziner als Schattenseite der
Digitalisierung.

Der KKH-Umfrage zufolge stellen 80 Prozent der Eltern Regeln für die
Smartphone-Nutzung ihres Kindes auf, bei 63 Prozent sind dies
Zeitfenster und handyfreie Zonen, etwa am Esstisch. 46 Prozent geben
eine zeitliche Beschränkung vor, 31 Prozent kontrollieren regelmäßig

die Geräte. Während der Corona-Pandemie berichteten fast alle Mütter

und Väter von einer intensiveren Nutzung - die Mehrheit fand das
allerdings in Ordnung, auch damit die Kinder mit Freunden in Kontakt
bleiben konnten.

«Es gehört zu den Erziehungsaufgaben der Eltern, dass sie vermitteln,
wann On- und Off-Zeiten sind», sagte Neurobiologe Korte. Für die
Gehirnentwicklung sei es wichtig, trotz Google weiterhin Wissen zu
erwerben. «Je mehr wir wissen, desto differenzierter schauen wir auf
die Welt und desto besser können wir zum Beispiel einschätzen, was
Fake News sind.» Korte zufolge verbringen laut Studien aus den USA
schon Elfjährige im Durchschnitt rund sechs Stunden pro Tag vor
diversen Geräten. Während Jungen vor allem zocken, halten sich
Mädchen meist in sozialen Medien auf.