Kriminalität in Corona-Krise um 23 Prozent gesunken - viele Verstöße

Hohe Rückgänge bei Einbrüchen, Taschendiebstählen und Überfälle
n: Die
Einschränkungen in der Corona-Zeit haben auch etwas Gutes. Sogar die
Fälle häuslicher Gewalt gingen auf dem Papier zurück. Die Polizei
zählte aber auch etliche Verstöße gegen die Corona-Regeln.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Die Zahl der Straftaten ist in der Zeit der
Corona-Einschränkungen in Nordrhein-Westfalen deutlich gesunken. Die
Gesamtkriminalität sei zwischen Anfang März und Ende Juni um knapp 23
Prozent zurückgegangen, teilte Innenminister Herbert Reul (CDU) am
Donnerstag in Düsseldorf mit. Auch die Zahl der Fälle von häuslicher

Gewalt ging um 21 Prozent zurück. Er selbst habe da «noch ein paar
Fragezeichen im Kopf», sagte Reul. Aber die Zahl der angezeigten
Fälle sei im Vergleichszeitraum von 13 230 auf 10 479 gesunken. Viel
zu tun hatte die Polizei unter anderem an Ostern und den
zurückliegenden Wochenenden wegen Verstößen gegen die Corona-Regeln.

Insgesamt wurden vom 25. März bis Ende Juni tausende Verstöße und 50

587 Personen festgestellt.

Der Rückgang der Kriminalität betraf fast alle Bereiche. Die Zahl der
Wohnungseinbrüche sank um 30 Prozent von 7561 auf 5290 Fälle. Die
Zahl der Raubüberfälle ging um rund ein Viertel zurück auf 2821
Fälle. Bei den Taschendiebstählen wurden sogar fast 40 Prozent
weniger anzeigt - die Zahl verringerte sich von 10 638 auf 6511.
Straftaten gegen ältere Menschen reduzierten sich um 11 Prozent auf
12 104 Fälle. Reul erklärte zum Gesamtrückgang: «Ist auch klar, wen
n
das öffentliche Leben zurück gefahren wird, passiert auch weniger.»
Wenn die Menschen mehr zu Hause seien, hätten Einbrecher zum Beispiel
weniger Gelegenheiten - und wenn «das Taxi nicht fährt, kann auch
kein Taxifahrer ausgeraubt werden.»

Keine Antwort hatte Reul auf die Frage, warum auch die Zahl der Fälle
von häuslicher Gewalt zurück gegangen sind. Er selbst habe mit eher
mehr Aggressivität gerechnet, wenn man länger auf engstem Raum
zusammen sei. Der Minister erklärte, es gebe nur Vermutungen zur
Ursache. Es könnte sein, dass die Nachbarn besser aufgepasst hätten
oder auch nicht alle Taten angezeigt wurden - weil es keine
Gelegenheit gab, wenn der Partner auch immer zuhause war.

Reul sprach auch von «Corona-bedingten Delikten». Vor allem zu Beginn
der Corona-Pandemie hätten Betrüger sich als angebliche Mitarbeiter
des Gesundheitsamtes ausgegeben, berichtete Reul. Er sprach erneut
vom «Enkeltrick im weißen Kittel». Hier hätten die Täter inzwisch
en
nur noch selten Erfolg, da die öffentliche Aufklärung «sehr groß
war».

Thema Wirtschaftskriminalität: Durch falsche Anträge auf
Corona-Soforthilfe entstand laut Reul bislang ein Schaden von rund
fünf Millionen Euro. Dies müsse man aber in Relation zur
Gesamtauszahlung von 4,5 Milliarden Euro sehen, sagte der Minister.
Bei den falschen Anträgen geht es um Personen, die unberechtigte
Hilfen beantragt oder mehrere Anträge gestellt haben.

Bei den sogenannten Fake-Webseiten für Soforthilfe seien bislang
sieben Internetadressen «sicher ermittelt» und beschlagnahmt oder
geblockt worden. Insgesamt seien bislang rund 1300 Anzeigen zu
Fake-Websites eingegangen - bei einem Schaden von 281 000 Euro.

Die Polizei hatte in den letzten Monaten aber auch durch Verstöße
gegen die Corona-Regeln viel zu tun. Zwischen Ende März und Ende Juni
nahm die Polizei in Nordrhein-Westfalen von 50 587 Menschen Verstöße
gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zu Protokoll. Der Minister betonte,
dass dies nur die Fälle seien, bei denen die Polizei involviert war.
Die Zuständigkeit liegt grundsätzlich bei den örtlichen Behörden mi
t
ihren Ordnungsämtern.

Die Verstöße wurden im Einzelnen von 36 837 Erwachsenen, 11 404
Jugendlichen und 2346 Kindern begangen. «Die meisten Menschen
verhalten sich vorbildlich und diszipliniert. Trotz des Verbots gibt
es aber einige, die sich nicht an die Regeln halten. Der Drang nach
frischer Luft ist nachvollziehbar, aber Corona ist noch nicht
vorbei», erklärte Reul. «Es müssen nicht alle auf einem Knubbel
hocken.» Verstöße gab es vor allem an den sonnigen Ostertagen und an

den vergangenen Wochenenden in den großen Städten. Unter anderem
musste die Polizei in Düsseldorf und Köln mehrfach den örtlichen
Behörden helfen, als unter anderem Teile der Düsseldorfer Altstadt
geräumt wurden. «So viel Verständnis ich für Geselligkeit an warmen

Sommerabenden habe - das geht im Moment nicht so, wie wir das gewohnt
sind», so Reul: «Corona ist noch nicht vorbei.»

Verhältnisse wie in Stuttgart, wo es vor knapp drei Wochen zu
offenbar spontanen Ausschreitungen und Plünderungen kam, drohen laut
Reul in NRW nicht. Bisher habe es so etwas nicht gegeben und die
Polizei sei auch für die kommenden Wochenenden gut aufgestellt und
gegebenenfalls einzugreifen. Der Minister reagierte auch auf einen
Vorschlag des SPD-Fraktionschefs Thomas Kutschaty, der am Donnerstag
technische Lösungen gegen Menschenansammlungen ins Spiel gebracht
hatte. Über mehr Videotechnik könne man «gerne reden». Ansonsten ha
be
er am Morgen sein Haus gebeten, zu prüfen, welche Technik es
allgemein überhaupt gibt. Reul lobte in diesem Kontext den Einsatz
von Drohnen.

Auf die Frage nach der Zahl der an Corona erkrankten Polizisten
wollte der Minister nicht antworten. Insgesamt seien aber nur wenige
Polizeibeamte erkrankt. «Sie war wirklich sehr gering, weil wir so
klug disponiert haben.» So habe man unter anderem Dienstpläne
angepasst. Ein Polizist sei gestorben. Nach früheren Angaben des
Innenministeriums war ein 54 Jahre alter Polizeibeamter aus Paderborn
mit einer Corona-Infektion gestorben. Nach dpa-Informationen hatte
sich der Beamte nicht im Dienst angesteckt.

Schmunzeln musste Reul, als er bei der Pressekonferenz nach seiner
Meinung zum Straßenkarneval gefragt wurde: «Ich wünsche mir nichts
sehnlicher, als dass wir Karneval schön feiern können.» Wie dass
letztlich aussehen werde, müsse man in einigen Monaten sehen. Für ihn
sei zum Beispiel die Frage, wie es nach der Rückkehr von Urlaubern
mit Corona weiter gehe. «Mein Wunsch ist klar», sagte Reul - und er
drücke auch die Daumen für Karneval. Aber die Wahrscheinlichkeit,
dass man zur Normalität zurückkehre, steige eben mit der Disziplin
der Menschen.