Abstimmung löst schwere Spannungen in Israels Regierungskoalition aus

Jerusalem (dpa) - Eine höchst umstrittene Abstimmung inmitten des
Corona-Ausbruchs in Israel hat schwere Spannungen innerhalb der
Regierungskoalition von Likud und Blau-Weiß ausgelöst. Das rechte
Lager im Parlament scheiterte allerdings am Mittwoch bei dem Votum
über die Einrichtung eines Ausschusses zur «Untersuchung von
Interessenkonflikten im Höchsten Gericht und anderen Gerichten».

Viele rechtsorientierte Politiker werfen dem Höchsten Gericht seit
langem eine übertriebene Einmischung in Entscheidungen von Regierung
und Parlament vor. Auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat das
Justizsystem in Israel wegen des Korruptionsverfahrens gegen ihn
immer wieder aufs Schärfste angegriffen. Kritiker haben gewarnt, er
könne versuchen, eine Verurteilung über eine systematische Schwächung

des Justizsystems zu verhindern.

43 von 120 Abgeordneten, darunter auch Mitglieder von Netanjahus
rechtskonservativer Likud-Partei, stimmten für den kontroversen
Vorschlag. Eingebracht hatte ihn der Abgeordnete Bezalel Smotrich von
der oppositionellen, ultrarechten Jamina-Partei. 54
Knesset-Mitglieder stimmten dagegen, der Rest war abwesend. Auch
Netanjahu war nicht zugegen.

Der Vorschlag folgte auf Medienberichte, denen zufolge Richter des
Höchsten Gerichts sich nicht an die Regel gehalten haben sollen, dass
sie nicht in Fällen urteilen können, in denen sie einer der
involvierten Parteien auf irgendeine Weise nahestehen.

Justizminister Avi Nissenkorn vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß hatte eine
Abstimmung für den Vorschlag zuvor mit der «Zerstörung der
israelischen Demokratie» gleichgesetzt. Aus Blau-Weiß-Kreisen
verlautete nach Medienberichten, die Abstimmung könne zu einer
Neuwahl führen.

Verteidigungsminister Benny Gantz von Blau-Weiß schrieb bei Twitter:
«Anstatt sich um die Arbeitslosen und Selbstständigen zu kümmern,
will der Likud die Richter untersuchen. Anstatt sich um die
wirtschaftlichen Versäumnisse zu kümmern, begehen sie einen
moralischen Fehler.» Gantz soll Netanjahu im Herbst kommenden Jahres
als Ministerpräsident ablösen.

Die Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Israel sind zuletzt immer
weiter gestiegen. Netanjahu steht für sein Krisenmanagement zunehmend
in der Kritik.