«Die Saison ist im Eimer» - Ballermannstars und der Corona-Sommer Von Alexandra Wilms, dpa

Die Touristen dürfen wieder nach Mallorca, doch von Partystimmung ist
wenig zu spüren. Die Amüsiertempel der Playa de Palma dürfen noch
nicht öffnen - und deren Stars wie Jürgen Drews, Mia Julia und Co
nicht auftreten. Wie gehen die Ballermannsänger damit um?

Palma (dpa) - Am Ballermann sitzen normalerweise Gruppen
amüsierfreudiger deutscher Urlauber am Strand und trinken mit
extralangen bunten Strohhalmen Alkoholisches aus blauen Eimern. Die
blauen Eimer gibt es auch im Corona-Sommer, aber darin sind nur
Fische: Sie gehören den einheimischen Anglern, die an Mallorcas
bekanntestem Strand abends ihre Ruten aufstellen. Die nötige Ruhe ist
da: Die großen Biergärten und Discos wie Megapark und Bierkönig sind

nach wie vor geschlossen. Die Inselregierung will es so.

Kleinere Clubs mit einem Fassungsvermögen von maximal 300 Gästen
dürfen seit der Aufhebung des Notstands am 21. Juni zwar wieder
öffnen, aber auch nur für zwei Drittel der sonst erlaubten Gästezahl

und ganz ohne Tanzfläche: Die bleibt geschlossen, dafür stehen dort
Tische, an denen die Clubbesucher Platz nehmen müssen.

Dass ihre Wirkungsstätten geschlossen bleiben, trifft die Sänger
unterschiedlich hart. Einer der wenigen, die derzeit vor Ort sind,
ist Steffen Peter Haas. Der Franke mit dem Künstlernamen Peter Wackel
hat eine Finca auf der Insel. «Da werden die Olivenbäume jetzt gerade
noch ein bisschen mehr gepflegt als sonst.» Wenn er sich nicht als
Teilzeitlandwirt beschäftigt, bespaßt er an der Playa die wenigen
Urlauber mit Privat-Konzerten. «Ich genieße das
Alleinstellungsmerkmal, es ist ja sonst niemand hier», sagt Haas
lachend, der seine Begegnungen mit den Fans werbewirksam bei Facebook
postet.

Er brauche die Nähe zu Fans. «Diese Autokino-Geschichte in
Deutschland habe ich kategorisch abgelehnt, das ist für mich keine
Alternative. Diese Distanz mag ich nicht», sagt der 43-Jährige. Ganz
anders seine Bierkönig-Kollegin Mia Julia. Die reist in Ermangelung
der Bühne auf Mallorca derzeit durch Deutschland und spielt auf
Großparkplätzen vor ihren im Auto sitzenden Fans.

«Als ganz am Anfang alle Auftritte abgesagt wurden, wollten wir
trotzdem den Kopf nicht in den Sand stecken», erzählt die aus
Oberbayern stammende Sängerin. Anfangs sei der Gedanke, vor in Autos
sitzenden Fans aufzutreten, ein wenig komisch gewesen: «Party ganz
ohne Eskalation und Springen konnte ich mir nicht richtig vorstellen.
Aber dann haben beim ersten Konzert die Autos gewackelt, die Leute
haben geschrien und gewunken und es war eine geile Stimmung: Die Fans
sind einfach dankbar, dass überhaupt was geht.»

Aber der Bierkönig fehle ihr schon sehr - und auch die Besucher der
Autokonzerte zollen ihrem geliebten Party-Biergarten Tribut. Auf den
Windschutzscheiben liegen T-Shirts mit dem Logo des Feiertempels, es
ist auch auf Fahnen zu sehen, die auf Autodächern geschwenkt werden.
Ein vollwertiger Ersatz für die Party am Ballermann sind die
Autokino-Auftritt der quirligen 33-Jährigen eben doch nicht. Party
sei «doch wichtig für das soziale Umfeld». «Auch wenn es oft
belächelt wird, aber das ist der Jahresurlaub, man trifft seine
Freunde und hat eine gute Zeit, das wäre schon sehr schade, wenn das
in diesem Sommer gar nicht stattfindet.»

Ob und wie es am Ballermann weitergeht, weiß keiner der
Stimmungsmusiker zu sagen. Zwar stehen alle in Kontakt mit den
Verantwortlichen, doch auch die können nur weitergeben, was gerade
der aktuelle Stand der Dinge ist. Die bekanntesten Partystätten an
der Playa de Palma sind deutlich größer als die kleinen Läden, die
schon wieder öffnen dürfen: Im Bierkönig haben 2899 feierwütige
Platz, im Megapark 1434, und selbst die vergleichsweise kleine Disco
Oberbayern fasst 650 Gäste. Alle drei Kultorte sind deshalb nach wie
vor verrammelt. Über eine mögliche Öffnung auch größerer Clubs so
ll
nun eine Kommission alle 15 Tage neu beraten.

Jürgen Drews denkt nicht, dass es wieder richtig losgehen kann,
solange es keinen Impfstoff gibt. Das 75-jährige Playa-Urgestein gibt
unumwunden zu, großen Respekt vor der Pandemie zu haben. Deshalb
kommt auch der private Inselbesuch - Drews besitzt eine Finca im
Südwesten Mallorcas - derzeit nicht in Frage. «Ich habe nicht vor,
auf die Insel zu reisen, so lange ich dort nicht auftreten kann. Im
Flieger muss man ja dann doch wieder eng beieinander sitzen», sagt er
der Deutschen Presse-Agentur. Er habe die Zeit seit Anfang März
genutzt, um seine Autobiografie zu beenden und ein neues Album
aufzunehmen.

Das zweite Standbein von Melanie Müller hingegen wackelt ziemlich.
Die Massen, denen die Partysängerin in den vergangenen Jahren
mehrmals pro Woche auf der Bühne des Bierkönigs einheizte, fehlen
auch als Kunden für ihre vor drei Jahren nahe der sogenannten
«Bierstraße» eröffnete Wurstbude. «Dass Bierkönig und Megapark
noch
nicht aufmachen, ist eine reine Katastrophe für mich, so brauche ich
natürlich auch die Wurstbude nicht aufzumachen.» Die 32-Jährige
bestätigt wie auch Mia Julia und Peter Wackel die auch in Deutschland
schlechte Geschäftslage: «Jeden Tag kommen neue Absagen, selbst die
kleinen Oktoberfeste finden alle nicht statt», klagt sie. Zumindest
den Mallorca-Sommer 2020 hat sie bereits abgeschrieben: «Die Saison
ist im Eimer», sagt Müller resigniert.