Pubs in England öffnen wieder - Prinz William macht den Anfang

Auch an normalen Wochenenden müssen Rettungsdienst und Polizei in
England oft ausrücken, weil Pub-Besucher ihr Alkohol-Limit nicht
kennen oder es zu Schlägereien kommt. Am ersten Tag nach der
Zwangspause mahnt die Regierung zur Vernunft.

London/Snettisham (dpa) - Nach mehr als drei Monaten Schließung wegen
der Coronavirus-Pandemie haben seit Samstagfrüh die Pubs in England
wieder geöffnet. Der erste, der sich ein Pint gönnte, war offenbar
Prinz William. Der 38 Jahre alte Enkel von Queen Elizabeth II. (94)
besuchte bereits am Freitagabend einen Pub in der ostenglischen
Grafschaft Norfolk in der Nähe seines Landsitzes Anmer Hall.

Er habe sich bei den Mitarbeitern erkundigt, wie sie sich mit den
neuen Umständen arrangiert haben, hieß es dazu in einer
Twitter-Mitteilung des Kensington-Palasts. Nebenbei ließ sich der
Zweite in der britischen Thronfolge aber auch ein Pint servieren, wie
auf Fotos zu sehen war. Es habe sich dabei um Cider gehandelt,
berichtete die britischen Nachrichtenagentur PA. «Ich bin ein
Cider-Mann», sagte William demnach über seine Vorliebe für den
Apfelwein.

Die Regierung hatte die Öffnung der Kneipen erst für die frühen
Morgenstunden angesetzt, um zu verhindern, dass die Menschen noch in
der Nacht zu den Pubs pilgern. Es gelten strenge Auflagen,
beispielsweise müssen Pub-Besucher ihre Kontaktdaten hinterlassen.
Bestellungen dürfen nur am Tisch oder per App aufgenommen werden.

Trotzdem wurde befürchtet, es könne zu Alkoholexzessen und
Ausschreitungen kommen. Gesundheitsminister Matt Hancock warnte mit
deutlichen Worten davor, über die Stränge zu schlagen: «Wer das
Gesetz bricht, kann hinter Gittern landen», sagte er der «Daily Mail»

am Freitag.

Rettungsdienste und Polizei in England müssen auch an normalen
Wochenenden oft ausrücken, weil Pub-Besucher ihr Limit nicht kennen
oder es zu Schlägereien kommt. Sie wurden in erhöhte
Einsatzbereitschaft versetzt. In der Nacht zum Samstag waren sieben
Polizeibeamte in London verletzt worden, als sie versuchten eine
illegale Party aufzulösen. Die Teilnehmer warfen mit Backsteinen und
anderen Gegenständen.

Kritiker bemängelten die Entscheidung der Regierung, die Öffnung der
Pubs ausgerechnet auf ein Wochenende zu legen. «Ich hoffe sehr, dass
sich die Leute verantwortungsvoll verhalten und ihren Sommer auf
sichere Weise genießen», sagte Premierminister Boris Johnson in einem
Radiointerview am Freitag.

Die Lockerung gilt vorerst nur in England und Nordirland. In
Schottland und Wales müssen sich die Menschen noch etwas länger
gedulden, bevor sie wieder in den Pub gehen können. In Großbritannien
legt jeder Landesteil seine eigenen Maßnahmen in der
Coronavirus-Pandemie fest.

Ausgeschenkt wurde dem britischen Video-Blogger Paul Brown zufolge
spätestens ab 10 Uhr lokaler Zeit. Er war seit den frühen
Morgenstunden in der Londoner Innenstadt unterwegs auf der Suche nach
einem geöffneten Pub, wie er auf seinen Social-Media-Kanälen
berichtete. Viele der Kneipen waren demnach noch geschlossen. Das
erste Pint konnte er bei einer Kneipe der Kette Wetherspoons am
Leicester Square im Londoner West End ergattern. «Wahrscheinlich das
am schlechtesten gezapfte Guinness meines Lebens, aber was soll's»,
sagte er in einem seiner Videos.

Auch Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage frohlockte über die Öffnung der
Pubs. «12 Uhr, erster Kunde. Ich liebe es», schrieb er auf Twitter
und postete dazu ein Foto von sich mit einem Glas Bier in der Hand in
einem Pub. Farage gilt als leidenschaftlicher Pub-Besucher. Doch er
zog mit dem Post auch Kritik auf sich. Erst am 20. Juni hatte er
nämlich ein Foto von sich auf Twitter geteilt, das ihn in den
USA zeigte. Für Reisende aus dem Land gilt nach wie vor eine
14-tägige Quarantänepflicht. Farage hätte noch einen weiteren Tag in

Isolation verbringen müssen, so der Vorwurf. Der Chef der britischen
Liberaldemokraten, Ed Davey, schrieb umgehend einen Brief an die
Polizei und forderte Ermittlungen. Farage wehrte sich per Twitter:
«An alle, die jetzt schreien und rufen, weil ich in den Pub gegangen
bin... ich bin seit zwei Wochen zurück aus den USA und wurde getestet
- das Ergebnis war negativ.»

Auch Restaurants, Friseure, Museen und Bibliotheken durften ihre
Türen unter Einhaltung strikter Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung
wieder öffnen. Von einigen Experten wurden die Lockerungen als zu
früh kritisiert. Mit mehr als 44 000 Todesfällen bei nachweislich mit
dem Coronavirus infizierten Menschen ist Großbritannien das am
stärksten von der Pandemie betroffene Land Europas.