Trumps patriotische Show zum Auftakt des Unabhängigkeitstags
Es ist kein Unabhängigkeitstag wie andere: Der 4. Juli steht in den
USA dieses Jahr unter dem Eindruck der Corona-Pandemie, Protesten
gegen Rassismus und der Debatte über die Erinnerungskultur des
Landes. US-Präsident Trump zieht ein eigenwilliges Programm durch.
Washington (dpa) - Sorgen vor neuen Corona-Ansteckungen und Protesten
zum Trotz hat US-Präsident Donald Trump vor Tausenden Zuschauern die
Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag eingeläutet. Trump sollte am
Freitagabend (Ortszeit/Samstagmorgen MESZ) bei seinem Besuch am
berühmten Nationaldenkmal am Mount Rushmore im US-Bundesstaat South
Dakota eine Rede halten. Als Kulisse dienten die in die
Gebirgsfelsformation gemeißelten, überlebensgroßen Köpfe von vier
Ex-Präsidenten. Vor Trumps Auftritt flogen Kampfjets über die Köpfe
der Menschen hinweg. Im Anschluss sollte es ein Feuerwerk geben.
Am «Independence Day» am Samstag (Ortszeit) wird eine Ansprache
Trumps bei Feierlichkeiten in der Hauptstadt Washington erwartet.
Zahlreiche US-Bundesstaaten kämpfen gegen einen dramatischen Anstieg
an Corona-Neuinfektionen. An mehreren Tagen in Folge markierten die
Zahlen der Neuinfektionen binnen 24 Stunden neue Höchststände. Am
Donnerstag hatte die Zahl laut Johns-Hopkins-Universität bei rund
52 300 gelegen.
Nicht nur deswegen hatten Trumps Pläne, an den Feierlichkeiten in
South Dakota teilzunehmen, für Kritik gesorgt. Seit 2009 wurde
am Mount Rushmore kein Feuerwerk mehr gezündet - wegen der
Waldbrandgefahr und Sorgen darüber, dass Schadstoffe ins Grundwasser
gelangen könnten. Den Ureinwohnern sind die Black Hills heilig.
Angehörige der Sioux hatten Widerstand gegen die Feier angekündigt,
die Regierung habe ihre Pläne für die Feierlichkeiten nicht mit ihnen
abgestimmt, beklagten sie. Vor Beginn der Veranstaltung sei es zu
Protesten gekommen, bei denen eine Zufahrtsstraße blockiert worden
sei, berichteten US-Medien.
Gouverneurin Kristi Noem hatte die Menschen zum Kommen ermuntert.
«Wir haben den Leuten gesagt, die Bedenken haben, dass sie zu Hause
bleiben können», sagte die Republikanerin mit Blick auf die
Corona-Pandemie. «Wir werden keine soziale Distanz wahren», fügte
Noem hinzu. Die Menschen sollten kommen, um zu feiern, um «die
Freiheiten zu genießen, die wir in diesem Land haben». Gesichtsmasken
sollten ausgegeben werden, Pflicht waren sie aber nicht.
Vier Monate vor der US-Wahl nutzt Trump nun die Gelegenheit, sich am
Fuße der Gebirgsfelsformation mit den überlebensgroßen Köpfen der
Präsidenten George Washington, Thomas Jefferson, Theodore Roosevelt
und Abraham Lincoln zu präsentieren. Der Republikaner steht unter
Druck. Umfragen sehen den designierten Kandidaten der US-Demokraten,
Joe Biden, im Rennen um das Präsidentenamt deutlich vor dem
Amtsinhaber Trump. Bei den Umfragen ist allerdings Vorsicht geboten,
wie die Wahl 2016 zeigte.
Trump sieht sich nicht nur Kritik wegen seines Umgangs mit der
Corona-Krise ausgesetzt, in der sein Augenmerk vor allem auf der
Wirtschaft liegt. Infolge des Todes des Afroamerikaners George Floyd,
der landesweite Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt auslöste,
wurde Trump vorgeworfen, sich nicht klar gegen Rassismus zu
positionieren und nicht genug Verständnis für den Zorn über
Diskriminierung und Ungerechtigkeit im Land zu zeigen. Trump
kommentierte die Proteste bislang vor allem unter dem Gesichtspunkt
der Sicherheit. Ihm ist ein Dorn im Auge, dass die Proteste eine
Debatte über die Erinnerungskultur des Landes angestoßen haben.
Die Proteste werden auch Teil des diesjährigen Unabhängigkeitstages
sein: Für Samstag sind in der Hauptstadt Washington mehrere
Demonstrationszüge angekündigt. Am Abend (18.00 Uhr Ortszeit/00.00
MESZ) will Trump im Weißen Haus eine Ansprache zum 4. Juli an die
Nation halten. Im Anschluss sollen die Feierlichkeiten auf der
National Mall - einer Promenade zwischen dem Parlamentsgebäude und
dem Lincoln Memorial - beginnen, Höhepunkt ist das Feuerwerk am
Abend. Bürgermeisterin Muriel Bowser hatte beklagt, dass die
Feierlichkeiten mitten in der Corona-Pandemie im Widerspruch zu den
Richtlinien der Gesundheitsexperten stünden.
Kritik an Trumps Umgang mit dem «Independence Day» hatte es auch
vergangenes Jahr gegeben. Er nutzte den Tag für eine militärische
Machtdemonstration und hielt seine Ansprache auf der National Mall.
Ihm wurde vorgeworfen, die Feierlichkeiten zu politisieren.
Seit Beginn der Corona-Pandemie wurden in den USA bereits fast 2,8
Millionen Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2 nachgewiesen, wie
aus Daten der Universität Johns Hopkins hervorgeht. Fast 130 000
Menschen starben an oder mit dem Virus. Nach Berechnung von US-Medien
haben mindestens 20 Staaten infolge der rapide steigenden
Infektionszahlen die phasenweise Wiedereröffnung der Wirtschaft
gebremst, pausiert oder Lockerungen gar zurückgenommen.
Trump hat die Zunahme der Fallzahlen wiederholt mit der Ausweitung
der Tests begründet. Er führt zudem an, dass die Sterblichkeitsrate
zurückgehe. Der oberste Gesundheitsbeamte der Regierung, Vizeadmiral
Jerome Adams, warnte am Freitag vor voreiligen Schlüssen. Man wisse,
dass die Todesfälle den Infektionszahlen mindestens zwei Wochen
«hinterherhinken», sagte Adams.
Mit Blick auf die Vielzahl junger Menschen, die derzeit positiv
getestet werden, machte er klar, dass kein Grund zur Entwarnung
bestehe. «Worüber wir uns vor allem bei jungen Leuten Sorgen machen
ist, dass sie es bekommen und dann ihre Großmutter, ihren Großvater
anstecken.» Vize-Gesundheitsminister Brett Giroir hatte am Donnerstag
gesagt, der Anteil positiver Testungen steige. «Das ist also eine
tatsächliche Zunahme an Fällen», sagte er.