Keine Entspannung der Corona-Krise in den USA in Sicht

Die Regierung versucht es in der Corona-Pandemie - mal wieder - mit
Beschwichtigung. Doch die Maßnahmen der Bundesstaaten sprechen eine
eindeutige Sprache. Und im Streit um die Maskenpflicht machen
führende Wirtschaftsvertreter Druck auf Präsident Trump.

Washington (dpa) - In der Corona-Pandemie ist in den USA keine
Entspannung abzusehen. Angesichts eines Rekords von mehr als
50 000 Neuinfektionen innerhalb eines Tages versuchten Mitglieder der
Corona-Arbeitsgruppe im Weißen Haus am Donnerstag bei einem
Vor-Ort-Besuch im stark betroffenen Bundesstaat Florida zu
beschwichtigen. «Wir sind buchstäblich in einer viel besseren
Situation als noch vor zwei Monaten», sagte Vizepräsident Mike Pence
und verwies auf die Vielzahl an Tests und Ansätzen zur Behandlung von
Covid-19-Patienten. Der republikanische Gouverneur von Texas,
Greg Abbott, sah sich angesichts des Infektionsgeschehens zu einer
Kehrtwende gezwungen und ordnete eine weitreichende Maskenpflicht an.

PENCE WILL IN FLORIDA OPTIMISMUS VERBREITEN

Pence, der die Corona-Arbeitsgruppe des Weißen Hauses leitet, setzte
am Donnerstag in Florida seine Reisen in derzeit besonders betroffene
Bundesstaaten im Süden des Landes fort. Zuvor war er schon in Texas
und Arizona. Am Tag seines Besuchs überschritt die Zahl der
nachgewiesenen Neuinfektionen innerhalb eines Tages dort die Marke
von 10 000 - ein Allzeithoch. Pence war bemüht, Optimismus zu
verbreiten: Er wolle, dass die Menschen wachsam seien, aber er wolle
sie auch bestärken. Florida habe alles, was es brauche, um diesem
Moment zu begegnen.

ÜBERRASCHENDE KEHRTWENDE IN TEXAS

In Texas vollzog Gouverneur Greg Abbott angesichts des dramatischen
Anstiegs der Neuinfektionen eine Kehrtwende. Der Republikaner ordnete
am Donnerstag eine Maskenpflicht für alle Bezirke mit 20 oder mehr
Corona-Fällen an. Damit könne die Ausbreitung des Virus nicht nur
verlangsamt, sondern auch die Wirtschaft am Laufen gehalten werden,
erklärte Abbott. Er folgte damit der Linie von mehr als einem Dutzend
Bundesstaaten. Der Schritt war dennoch bemerkenswert. Abbott hatte im
Juni noch gesagt: «Die Regierung kann nicht vorschreiben, dass
Einzelpersonen Gesichtsmasken tragen müssen.»

DER UNGEBROCHENE WIDERSTAND TRUMPS 

Der Widerstand von US-Präsident Donald Trump gegen die Schutzmaske
scheint dagegen ungebrochen. Anders als viele andere Politiker zeigt
er sich nicht mit Maske in der Öffentlichkeit und begründet dies
immer wieder damit, dass er und die Leute um ihn herum stets auf das
Virus getestet würden. Erst am Mittwoch äußerte sich der Republikaner

skeptisch über eine landesweite Maskenpflicht.

Trump soll sich am Freitag auf den Weg nach South Dakota machen, wo
er am Abend (Ortszeit/Samstag MESZ) am berühmten Präsidenten-Denkmal
von Mount Rushmore an den Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag
inklusive umstrittenen Feuerwerk teilnimmt. Gouverneurin Kristi Noem
hatte die Menschen zum Kommen aufgerufen und gesagt, dass Masken
verteilt würden, aber nicht verpflichtend seien. In anderen
Bundesstaaten wie Kalifornien wurden vor dem langen
Feiertagswochenende Restriktionen verhängt, um Menschenansammlungen
zu verhindern.

WACHSENDER DRUCK AUS DER WIRTSCHAFT

Führende Wirtschaftsvertreter appellierten an das Weiße Haus, es
müsse in Zusammenarbeit mit den Gouverneuren Regelungen für das
verpflichtende Tragen von Masken in der Öffentlichkeit ausarbeiten.
Die vergangenen Wochen hätten bewiesen, dass auf Freiwilligkeit
basierende Richtlinien nicht ausreichten, um die Gesundheit der
Menschen zu schützen, hieß es in einem offenen Brief, der unter
anderem vom Vorstandsvorsitzenden der US-Handelskammer unterzeichnet
wurde. Ohne stärkere Maßnahmen zur Eindämmung der Virusausbreitung
drohe Amerika eine «weitere Runde an Shutdowns, weitreichenden
Beschränkungen für nicht essenzielle Betriebe und irreparablen
wirtschaftlichen Schaden».

GUTE NACHRICHTEN - ABER NEUES UNHEIL DROHT

Die Wirtschaft des Landes, die empfindlich von der Pandemie getroffen
wurde, ist Trump wenige Monate vor der Wahl im November ein wichtiges
Anliegen. Am Donnerstag bejubelte er im Weißen Haus die rasche
Verbesserung der Lage am Arbeitsmarkt, die «alle Erwartungen
übertroffen» habe. Die am Donnerstag veröffentlichte
Arbeitslosenquote fiel stärker als erwartet von 13,3 Prozent im Mai
auf 11,1 Prozent im Juni. Fast fünf Millionen Amerikaner haben im
Juni wieder Arbeit gefunden. Doch die positiven Nachrichten sind mit
Vorsicht zu genießen - denn wegen der Zuspitzung der Lage im Süden
des Landes droht neues Unheil. Die Arbeitslosenquote für Juni beruhte
auf Daten, die nur die Situation bis zur Mitte des Monats abbildeten.
Mögliche Auswirkungen der jüngsten Zuspitzung spiegelten sich darin
deshalb noch nicht wider.

DIE ZAHLEN

Nach Berechnung von US-Medien haben mindestens 20 Staaten infolge der
rapide steigenden Infektionszahlen die phasenweise Wiedereröffnung
der Wirtschaft gebremst, pausiert oder Lockerungen gar
zurückgenommen. Insgesamt wurden in den USA seit Beginn der Pandemie
mehr als 2,7 Millionen Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2
nachgewiesen, wie aus Daten der Universität Johns Hopkins hervorgeht.
Fast 130 000 Menschen starben nach einer Erkrankung mit Covid-19.