Landrat droht mit Aufnahmestopp für Grenzdurchgangslager Friedland

Die Verzweiflung ist groß: Im Grenzdurchgangslager Friedland steigt
die Zahl der Corona-Fälle. Nun droht der Landrat mit drastischen
Maßnahmen.

Friedland (dpa/lni) - Angesichts des Corona-Ausbruchs im
Grenzdurchgangslager Friedland hat der Landkreis Göttingen dringend
Hilfe vom Bund und vom Land Niedersachsen gefordert. Sie müssten
dafür sorgen, dass Spätaussiedler ab sofort nur noch dann nach
Friedland kommen dürfen, wenn sie zuvor andernorts 14 Tage lang in
Quarantäne waren und negativ auf das Coronavirus getestet wurden,
sagte Landrat Bernhard Reuter (SPD) am Donnerstag.

Derzeit kämen deutschstämmige Aussiedler aus Kasachstan und anderen
Risikogebieten völlig unkontrolliert ins Lager. Dort gebe es
mittlerweile bereits 61 Infizierte, sagte Reuter. Weil infizierte und
nicht infizierte Bewohner separiert werden müssten, sei die Kapazität
des Lagers erschöpft, erklärte die Leiterin des Corona-Krisenstabes,
Kreisrätin Marlies Dornieden. Friedland ist seit mehreren Jahren die
bundesweit einzige Aufnahmeeinrichtung für deutschstämmige
Spätaussiedler.

«Ich betrachte die Entwicklung mit großer Sorge», sagte Landrat
Reuter. Denn für die kommenden Wochen und Monate sei mit zahlreichen
weiteren, möglicherweise mit Tausenden zusätzlichen Spätaussiedlern
zu rechnen. Sollte der Bund und das Land nicht handeln, werde er
nicht davor zurück schrecken, einen generellen Aufnahmestopp für das
Lager zu verhängen, um eine weitere Ausbreitung des Virus in
Friedland zu verhindern, sagte der Landrat.

In der Gemeinde Friedland hätten die Einwohner mittlerweile große
Angst vor Ansteckung, sagte Bürgermeister Andreas Friedrichs (SPD).
Der Ort stelle zwar seit Jahrzehnten seine Aufnahme- und
Integrationsbereitschaft immer wieder nachdrücklich unter Beweis.
«Aber so geht es nicht weiter», sagte Friedrichs.

Nach Angaben der niedersächsischen Landesaufnahmebehörde ist die Zahl
der Corona-Infektionen im Lager am Donnerstag weiter gestiegen. Bei
den jüngsten Untersuchungen seien elf weitere Aussiedler positiv
getestet worden, sagte eine Sprecherin. Betroffen seien mittlerweile
knapp 50 Spätaussiedler, aber auch im Lager untergebrachte
Asylsuchende sowie Mitarbeiter der Einrichtung.

Sollte die Zahl der Neu-Infizierten weiter steigen, könnte dies zu
neuen Einschränkungen für alle Menschen im Landkreis Göttingen
führen, sagte Landrat Reuter. Derzeit werde der kritische Wert von 50
Neu-Infizierten je 100 000 Einwohner pro Woche zwar noch deutlich
unterschritten. Dies könnte sich aber schnell ändern, wenn in
Friedland weitere möglicherweise infizierte Menschen aufgenommen
werden müssten.

Das Grenzdurchgangslager hat 700 Betten. Weil ein Großteil der
derzeit knapp 320 Bewohner wegen der Quarantäne-Maßnahmen aber
alleine oder in kleinen Gruppen untergebracht sind, gibt es nach
Angaben der Landesaufnahmebehörde keine freien Plätze mehr.

Am 19. Juni wurde das Virus Sars-CoV-2 bei einer neu angekommenen
vierköpfigen Familie nachgewiesen. Seither werden Bewohner und
Mitarbeiter des Lagers sowie alle neu ankommenden Spätaussiedler
systematisch getestet. Am Donnerstag lagen noch nicht alle Ergebnisse
der bisherigen Tests vor.