Waschen, Schneiden, Föhnen, Sparen - Wie Friseure unter Corona leiden Von Larissa Schwedes, dpa

Endlich ab die lange Matte - das war für viele Menschen mit die
größte Erleichterung, als das Land nach der Corona-Zwangspause
langsam wieder hochfuhr. Doch Aufatmen kann die Branche nicht.

Köln (dpa) - Politiker im verwuschelten Holzfäller-Look vor der
Fernsehkamera und verunglückte Ponys bei jenen, die selbst zur Schere
griffen: Eines Tages werden Bilder der «Corona-Friesen» wohl neben
den rar gewordenen Klopapierrollen als Skurrilitäten der Corona-Krise
die Museen erreichen. Riesig war die Euphorie, als es im Mai nach
etlichen Wochen hieß: Weitermachen, liebe Friseurinnen und Friseure!

Im Mai lagen die Umsätze daher immerhin 15,8 Prozent über jenen des
Vorjahres, wie aus einer Branchenanalyse der Unternehmensberatung
Peter Zöllner im Auftrag von Wella hervorgeht, die der Deutschen
Presse-Agentur vorliegt.

«Der Trend nach guter Friseurdienstleistung ist ungebrochen», sagt
der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des
Deutschen Friseurhandwerks, Jörg Müller. «Wenn es einen Beweis
gebraucht hätte, dann war das die Euphorie und der Hype, als die
Friseure wieder öffnen durften.» Auch die Gewerkschafterin Andrea
Becker von Verdi erkennt eine neue Haltung der Kunden gegenüber ihren
Friseuren. Zuvor hätten viele den Gang als Selbstverständlichkeit
angesehen und erst durch den Wegfall neu schätzen gelernt.

Zuvor jedoch blieben - das ist nicht zu vergessen - geschlagene sechs
Wochen lang die Türen zu. Die Haare wuchsen weiter, doch niemand
schnitt sie ab - zumindest fast niemand, der das professionell
gelernt hatte. Im März, als die Salons dicht machen mussten, lag der
Monatsumsatz somit 37,4 Prozent unter dem des Vorjahresmonats.

Müller rechnet selbst für gut laufende Salons mit
Jahresumsatzeinbußen von 10 bis 15 Prozent. Zwar haben auch heute
noch viele Salons lange Wartelisten und volle Auftragsbücher, aber:
«Ein richtiger Nachholeffekt ist das nicht», meint Müller.
Schließlich seien während der geschlossenen Wochen viele Besuche
weggefallen, die nicht in gleichem Maße nachgeholt würden.

Belastend sei auch, dass durch Hygienevorschriften und Abstandsregeln
deutlich weniger Kunden an einem Tag versorgt werden könnten als
üblich. Auch arbeitsteilige Abläufe unter Kollegen seien nicht
möglich. «Das trifft besonders Salons, die normalerweise eine hohe
und gute Auslastung haben.»

Viele Salons hätten daher ihre Preise erhöht, einige um zwei, andere
sogar um bis zu fünf Euro pro Haarschnitt, berichtet Gewerkschafterin
Becker. «Das ist sicherlich auch gerechtfertigt.» Die
Branchenexpertin geht davon aus, dass die meisten der rund 80 800
Friseure in Deutschland die Krise verkraften können werden -
vorausgesetzt, ein erneuter Lockdown aufgrund einer zweiten
Corona-Welle bleibt aus.

Großes Sorgenthema der Branche bleibt auch in Corona-Zeiten der
Nachwuchsmangel: Obwohl die Branche dem Statistischen Bundesamt
zufolge im Jahr 2019 2,4 Prozent mehr Umsatz machte als im Jahr zuvor
und auch die Zahl der Salons anstieg, gab es 2,5 Prozent weniger
Beschäftigte. Die Zahl der Auszubildenden ging innerhalb eines Jahres
laut Zahlen des Deutschen Handwerkskammertags sogar um mehr als fünf
Prozent zurück. Gerade viele kleinere Salons könnten es sich oft
nicht leisten auszubilden, erklärt Branchenvertreter Müller.

Etablierte und größere Salons sind auf die sogenannten
Kleinstbetriebe oft gar nicht gut zu sprechen, wie der Bericht des
Zentralverbands deutlich macht: Diese bildeten meist nicht aus, böten
keine weiteren Arbeitsplätze und seien, wenn ihr Umsatz unter einem
entsprechenden Freibetrag bleibe, von der Mehrwertsteuer befreit -
«und können damit konkurrenzlos günstig am Friseurmarkt agieren.»