Corona-Pandemie schickt 638 000 Menschen in die Arbeitslosigkeit Von Michael Donhauser, dpa

Auch im Juni lässt die Corona-Krise die Zahl der Arbeitslosen
steigen. Der vergleichsweise moderate Anstieg lässt Hoffnung
aufkeimen - doch Volkswirte warnen bereits vor zu großem Optimismus.

Nürnberg (dpa) - Die Corona-Krise scheint ihre Fesseln um den
deutschen Arbeitsmarkt allmählich zu lockern. Im Juni stieg zwar die
Arbeitslosenzahl nochmals für die Jahreszeit untypisch auf 2,853
Millionen. Im Vergleich zum Mai ging es aber mit einem Plus von
40 000 vergleichsweise moderat nach oben. Insgesamt sind durch die
Corona-Krise nach Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit zwischen
April und Juni 638 000 Menschen arbeitslos geworden. «Das heißt jeder

fünfte in diesem Zeitraum ist sozusagen der Corona-Pandemie
geschuldet», sagte der Vorstandschef der Bundesagentur, Detlef
Scheele, am Mittwoch bei der Vorstellung der Juni-Statistik in
Nürnberg.

Die Kurzarbeit sei im April auf den höchsten jemals erreichte Stand
in der Bundesrepublik geschnellt. Demnach waren im April 6,83
Millionen Menschen in Kurzarbeit nach 2,49 Millionen, die noch im
März gemessen wurden. Für den Mai rechnet Scheele mit 6 Millionen
Kurzarbeitern. Die Prognose der Bundesagentur liegt damit deutlich
unterhalb der des Münchner Ifo-Institutes, das für den Mai 7,3
Millionen Kurzarbeiter und für den Juni 6,7 Millionen ermittelt
hatte.

Insgesamt haben in der Corona-Krise inzwischen Betriebe für mehr als
12 Millionen Menschen Kurzarbeit angemeldet. Zu den 11,8 Millionen im
März, April und Mai kamen im Juni noch einmal Anzeigen für 342 000
Menschen hinzu, berichtete die Bundesagentur. Erfahrungsgemäß wird
Kurzarbeit nicht in allen angezeigten Fällen realisiert. Die
Bundesagentur rechnet mit den Betrieben mit einer Verzögerung von
drei Monaten ab.

Am Finanzbedarf ändern die neuen Zahlen laut Scheele nichts. Die
Bundesagentur rechnet für dieses Jahr weiter mit einem Defizit von
mehr als 30 Milliarden Euro, das durch Mehrausgaben für
Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld und andere Leistungen zustande
kommt, aber auch durch Mindereinnahmen über Beiträge aus der
Arbeitslosenversicherung. Die Bundesagentur verfügt über eine
Rücklage von 26 Milliarden Euro, den Rest des Defizits muss der Bund
über einen Zuschuss oder einen Kredit ausgleichen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, die Zahlen aus
Nürnberg zeigten, dass Kurzarbeit weiterhin sehr stark helfe,
Menschen in Arbeit zu halten. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit sei im
Juni im internationalen Vergleich gering. Die Zahlen zeigten aber
auch, dass die Wirtschaft nun schnell wieder in Gang gesetzt werden
müsse. «Das Konjunkturpaket der Bundesregierung ist daher die
richtige Antwort auf die Krise», sagte Heil.

Die Bundesagentur hat im laufenden Jahr für Kurzarbeit bisher 7,847
Milliarden Euro ausgegeben. Im gesamten Jahr 2019 wurden hierfür nur
200 Millionen Euro aufgewendet. Im Jahr der Finanzkrise 2009 - dem
Jahr mit den bisher meisten Kurzarbeitern vor Corona - flossen 4,6
Milliarden Euro für Kurzarbeitergeld. Keine signifikante Steigerung
hat es bisher bei der Finanzierung von Insolvenzen gegeben. Die
Ausgaben der Bundesagentur liegen hier bei 492 Millionen Euro und
damit nur um 3,6 Prozent über dem Haushaltsansatz. «Wir haben kein
Indiz für die Kette: Kurzarbeit, arbeitslos, insolvent», sagte
Scheele.

Um die Wucht der Corona-Krise für den Arbeitsmarkt abzulesen, lohnt
auch ein Blick auf den Jahresvergleich. Im Juni 2020 waren 637 000
Menschen mehr arbeitslos als noch vor einem Jahr. Gestiegen ist in
der Pandemie auch die Zahl der Hartz-IV-Empfänger in Deutschland.
Deren Zahl habe im Juni bei 4,076 Millionen gelegen, 152 000 Personen
mehr als im Juni 2019. Damit waren im Juni nach Angaben der
Bundesagentur 7,5 Prozent der Personen im erwerbsfähigen Alter auf
Hilfe angewiesen.

Auch deshalb warnen Volkswirte vor allzu frühem Optimismus. «Auch
wenn es hier und da Licht am Ende des Tunnels gibt - der Tunnel ist
lang. Mehr als die Hälfte der Maschinenbauunternehmen erwarten eine
Rückkehr zum Vor-Corona-Umsatzniveau nicht vor 2022», sagte der
Chefvolkswirt des Verbandes Deutscher Maschinenbauer (VDMA), Ralph
Wiechers. Die Verlängerung der bisher auf maximal zwölf Monate
befristeten Kurzarbeit sei deshalb wichtig. Sein Kollege Jörg Zeuner,
Chefvolkswirt von Union Investment, sagte: «Der Höhepunkt der
Arbeitslosigkeit ist noch nicht erreicht.» Er erwarte bis zu drei
Millionen Arbeitssuchende in diesem Jahr.

Laut Scheele dürfte diese Zahl zumindest im Sommer nicht erreicht
werden. Und was im Winter kommt, hänge von vielen Unwägbarkeiten ab,
darunter auch die Frage, ob es zu einer weiteren Viruswelle im Herbst
kommt. «Wenn eine zweite Welle ausbleibt, wenn die Lockerungen
insbesondere im Tourismus und der Gastronomie über den Sommer
greifen, wenn sich die Stimmung der Konsumenten ändert, wenn wir
wissen, was die Pandemie generell an Verhaltensänderung ausgelöst
hat, bei Reisen, dann würde ich sagen, sind wir auf einem guten Weg.»
Er rief die Unternehmen auf, die Kurzarbeit ihrer Mitarbeiter schon
jetzt für Transformationsprozesse zu nutzen - sie also mit Hilfe von
Fortbildungen auf sich verändernde Herausforderungen des
Arbeitslebens einzustellen.