Weniger Opfer von häuslicher Gewalt in Rostocker Universitätsmedizin

Bei der Gewaltopferambulanz der Universitätsmedizin Rostock haben
sich im ersten Halbjahr des Jahres weniger Menschen gemeldet als noch
im Vorjahreszeitraum. Die Corona-Krise dürfte einen Anteil daran
haben.

Rostock (dpa/mv) - In der ersten Jahreshälfte haben sich rund zehn
Frauen nach häuslicher Gewalt bei der Gewaltopferambulanz der
Universitätsmedizin Rostock gemeldet. Im ersten Halbjahr des
vergangenen Jahres lag diese Zahl noch bei 16, wie die
Universitätsmedizin auf Anfrage mitteilte. Ein Mann sei in den ersten
sechs Monaten des Jahres nicht vorstellig geworden, im
Vorjahreszeitraum war es noch einer. Die Zahl repräsentiere nur die
Fälle, in denen sich Opfer selbst gemeldet hätten.

Für den Rückgang gibt es laut Verena Kolbe, Fachärztin für
Rechtsmedizin an der Uniklinik Rostock mehrere Ansatzpunkte. Durch
das vermehrte Home-Office in der Corona-Krise könne es sein, dass der
Faktor Arbeit wegfalle, wo die Verletzungen sichtbarer seien.
Ebenfalls gebe es in der Corona-Zeit weniger Kontrollinstanzen wie
beispielsweise Sportvereine. Dadurch sei eine noch höhere
Dunkelziffer zu vermuten.

Die Zahl der Untersuchungen in der Rechtsmedizin insgesamt sei
ebenfalls gesunken. Waren es im ersten Halbjahr 2019 noch 132
Untersuchungen, so waren es von Januar bis Juni dieses Jahres rund
90. Neben häuslicher Gewalt gebe es ebenfalls Untersuchungen wegen
anderer körperlicher Gewalt und Anzeichen von Kindesmissbrauch.

Landes- und auch bundesweit gebe es keine signifikanten Steigerungen
bei der Inanspruchnahme von Beratungs- und Hilfsangeboten bei
häuslicher und sexualisierter Gewalt, teilte das Sozialministerium
auf Anfrage mit. «Dennoch besteht bei uns die Annahme, dass es eine
Zunahme von häuslicher Gewalt infolge der Corona-Pandemie gibt»,
sagte Sozialministerin Stefanie Drese (SPD).

Drese betonte die Bedeutung von Hilfsangeboten, wie etwa das
Beratungs- und Hilfenetz MV. Darin seien unter anderem neun
Frauenhäuser und fünf Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt und

Stalking gebündelt. Zudem verwies die Ministerin auf die Kampagne
«Zuhause nicht sicher?», bei der in bundesweit rund 26 000
Supermärkten auf die Problematik aufmerksam gemacht werde.