DIW-Chef: «Konjunkturpaket bei vielen Aspekten blind»

Berlin (dpa) - Das Konjunkturpaket der Bundesregierung richtet sich
nach Einschätzung des Ökonomen Marcel Fratzscher «fast exklusiv auf
kurzfristige Stabilisierung». «Das Konjunkturpaket ist blind in
Hinblick auf viele wichtige Aspekte», sagte der Präsident des
Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) der «Passauer
Neuen Presse» (Dienstag). Dies gelte etwa bei den Themen
Generationengerechtigkeit, Gleichstellung von Mann und Frau und
anderen Nachhaltigkeitsfragen.

Ein besonderer Dorn im Auge ist dem DIW-Präsidenten die Absenkung der
Mehrwertsteuer - mit Blick auf die Automobilbranche. «Ich bin sonst
für die Mehrwertsteuersenkung, aber sie wird beispielsweise auch dazu
führen, dass mehr Autos mit Verbrennungsmotoren in den Markt kommen,
die in zehn, 15 Jahren noch da sein werden», sagte Fratzscher. Es
fehle ein Mechanismus zur langfristigen «Transformation» von
Wirtschaft und Gesellschaft.

Der DIW-Präsident rechnet damit, dass die deutsche Wirtschaft drei
bis vier Jahre brauchen wird, um wieder das Niveau von vor der
Corona-Krise zu erreichen. «Die Bundesregierung muss wohl noch einmal
nachlegen.» Das könne in einem halben Jahr oder auch in einem Jahr
soweit sein.

Bundestag und Bundesrat hatten am Montag wichtige Teile des 130
Milliarden Euro schweren Konjunkturpakets beschlossen, das den Konsum
wieder ankurbeln soll. Das größte Konjunkturpaket in der deutschen
Geschichte soll Millionen Bürger entlasten und die Wirtschaft wieder
auf Wachstumskurs bringen.