Viel Kurzarbeit an Autostandorten und in Tourismusregionen Von Claus Haffert, dpa

In der Corona-Krise haben viele Betriebe in Deutschland zu Kurzarbeit
gegriffen. Von Region zu Region gibt es aber erhebliche Unterschiede.
Besonders Kreise mit starker Autoindustrie oder viel Tourismus sind
betroffen.

Düsseldorf (dpa) - Kurzarbeit im Zuge der Corona-Krise hat vor allem
Regionen mit einem hohen Anteil der Autobranche und anderen
Unternehmen aus der Metall- und Elektroindustrie sowie Urlaubsgebiete
getroffen. Das hat eine Analyse für die gewerkschaftsnahe
Hans-Böckler-Stiftung ergeben. Vergleichsweise wenig Kurzarbeit sei
dagegen in Städten mit starken Chemie- und Pharmaunternehmen
angezeigt worden.

Die bundesweit höchste Quote bei den Kurzarbeitsanzeigen hat es
demnach mit 56,0 Prozent am VW-Standort Emden gegeben. Am Stammsitz
des Autokonzerns in Wolfsburg wurde mit 52,2 Prozent ebenfalls für
mehr als jeden zweiten Beschäftigten Kurzarbeit angezeigt, heißt es
in der Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen
Instituts (WSI) der Böckler-Stiftung.

Überdurchschnittlich viel Kurzarbeit sei auch in
Fremdenverkehrsregionen angemeldet worden. So wiesen die Landkreise
Breisgau-Hochschwarzwald (41,4 Prozent), Oberallgäu (40,4 Prozent)
und Garmisch-Partenkirchen (35,1 Prozent) hohe Quoten auf. Auch an
der Nord- und der Ostseeküste gebe es hohe Quoten bei der
angemeldeten Kurzarbeit. Der bundesweite Durchschnitt habe im April
gut 31 Prozent betragen.

Eine Erhebung des Münchner Ifo-Institutes hatte ergeben, dass die
Gastronomie die am meisten von Kurzarbeit betroffene Branche ist.
Der Schätzung des Institutes zufolge arbeiteten im Mai 796 000
Mitarbeiter in der Gastronomie kurz - und damit 72 Prozent der
gesamten Beschäftigten. Im Fahrzeugbau wurden vom Ifo-Institut 513
000 Kurzarbeiter (46 Prozent) geschätzt.

Wie viele Beschäftigte in Kurzarbeit gegangen sind, ist noch nicht
bekannt. Die Zahlen der angezeigten Kurzarbeit dürften aber deutlich
höher sein als die der tatsächlich kurzarbeitenden Beschäftigten,
vermuten die WSI-Wissenschaftler. Die Unternehmen hätten oft
vorsorglich für größere Gruppen Kurzarbeit angemeldet. Regionale
Daten zur tatsächlich realisierten Kurzarbeit würden erst in einigen
Monaten vorliegen.

Die niedrigsten Kurzarbeitsquoten ermittelten die WSI-Forscher für
den BASF-Standort Ludwigshafen mit 11,6 Prozent und für den
Bayer-Standort Leverkusen mit 16,2 Prozent. Die Chemie- und die
Pharmabranche sei weit weniger betroffen von Auftrags- und
Produktionsrückgängen als der Maschinen- und Kraftfahrzeugbau.

In den deutschen Autofabriken wird die Kurzarbeit inzwischen
schrittweise verringert, wie eine Umfrage der Deutschen
Presse-Agentur ergab. Bei BMW arbeiteten im Juni noch rund 4000
Mitarbeiter nicht die volle Arbeitszeit, nur noch ein Bruchteil der
Kurzarbeiter aus dem April und Mai. Bei Daimler, sind seit Juni alle
Werke weltweit wieder in Betrieb. In einzelnen Bereichen werde die
Kurzarbeit fortgesetzt, hieß es. Auch Audi fährt seit April die
Produktion wieder hoch.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) ermahnte Deutschland, die
Kurzarbeit nicht zu überdehnen. Das Instrument habe schon «in der
Finanzkrise sehr gut funktioniert», sagte die IWF-Chefökonomin Gita
Gopinath dem «Spiegel». Jetzt habe die Bundesregierung Kurzarbeit
jetzt noch attraktiver gemacht. Wenn die wirtschaftliche Erholung
einsetze, müssten die Bedingungen aber geändert werden. Sonst drohten
Firmen künstlich am Leben gehalten zu werden. «Man muss Arbeiter
ermutigen, von schrumpfenden in wachsende Branchen zu wechseln»,
sagte Gopinath.

Trotz des massenhaften Einsatzes der Kurzarbeit sei aber auch die
Arbeitslosigkeit gestiegen - ebenfalls mit beachtlichen regionalen
Unterschieden. Besonders starke coronabedingte Anstiege der
Arbeitslosenquoten hatten nach WSI-Berechnungen in den
Tourismusregionen Vorpommern-Rügen (3,2 Prozentpunkte) und Wittmund
in Ostfriesland (2,6 Prozentpunkte) zu verkraften. Aber auch in
Berlin (2,5 Prozentpunkte), Garmisch-Partenkirchen (2,4
Prozentpunkte), dem Berchtesgadener Land und in Wilhelmshaven (beide
2,3 Prozentpunkte) sei die Arbeitslosenquote deutlich gestiegen. Im
Bundesmittel habe sich die Quote von März bis Mai coronabedingt um
1,3 Prozentpunkte erhöht.