Zurück zur Normalität? Die Kinobranche steht vor dem Neustart Von Aliki Nassoufis, dpa

Ab dieser Woche können die Kinos endlich in allen Bundesländern
wieder öffnen. Auch die ersten größeren Neustarts sind angekündigt.

Doch die Branche kann noch immer nicht aufatmen.

Berlin (dpa) - Wer in diesen Tagen ins Restaurant geht oder durch
Parks spaziert, könnte glauben, dass die Corona-Pandemie vorbei
ist. Auf den ersten Blick sieht vieles wieder so aus wie vor dem
Lockdown. Auch die Kinobranche steht offiziell vor dem Neustart.
Viele Kinos haben bereits wieder geöffnet, als eines der letzten
Bundesländer folgt diese Woche Berlin. Doch der Schein trügt. Die
Kinobranche muss weiter zittern.

Immerhin: Nach monatelanger Pause starten an diesem Donnerstag (2.7.)
die ersten größeren Filme neu. Die früheren YouTube-Stars Heiko und
Roman Lochmann erleben in «Takeover - Voll vertauscht» eine
turbulente Verwechslungskomödie, während Regisseur Christian Petzold
den Berlinale-Beitrag «Undine» mit Paula Beer und Franz Rogowski
zeigt.

Ein wichtiger Grund dafür ist, dass nun in allen Bundesländern auch
wieder die Kinos ihren Betrieb aufnehmen dürfen. In Berlin ist dies
offiziell ab Dienstag möglich, viele Kinos in der Hauptstadt wollen
am Donnerstag starten. Auch in Hamburg fangen viele Programmkinos am
Donnerstag wieder an.

Überhaupt gab es zuletzt einige positive Nachrichten aus der Branche:
Freiluft- und Auto-Kinos sind seit Wochen beliebt und erleben einen
Besucheransturm wie selten zuvor. Doch das allein kann die Existenz
der Kino- und Filmwelt nicht retten. Wichtig wäre, dass auch die
regulären Kinos wieder genügend Tickets verkaufen. Das aber ist mehr
als ungewiss; von Euphorie ist wenig zu spüren. Vielmehr wachsen die

Sorgen, wie es nun wirklich weitergehen soll.

Eine große Hürde sind die Auflagen, die mit den Wiedereröffnungen
verbunden sind. Zwischen den Besuchergruppen müssen 1,5 Meter Abstand
gehalten werden - damit bleiben deutlich mehr Plätze in einem Saal
frei als besetzt werden können. 

Die Verbände HDF Kino und AG Kino - Gilde deutscher Filmkunsttheater
haben diese Regelung bereits mehrfach scharf kritisiert. Sie
verweisen unter anderem auf Nachbarländer, wo etwa nur ein Meter
Abstand gefordert ist. Tatsächlich fragen sich viele, warum etwa in
Flugzeugen und Zügen fremde Menschen direkt nebeneinander sitzen
können, während im Kino - wo die Sitze deutlich breiter sind - ganze
Reihen gesperrt werden müssen.

Das andere große Problem sind allerdings die Filme selbst, genauer
gesagt der Mangel an neuen Großproduktionen. Im Juni waren zunächst
eher kleine Werke in die Kinos gekommen, ab Juli sollte es dann
richtig losgehen. Im kommenden Monat starten deutsche Filme wie
«Takeover», «Undine» und «Berlin Alexanderplatz» (16.7.).

Vor allem aber Hollywoodproduktionen galten als wichtige Zugpferde.
So sollten Ende des Monats Disneys «Mulan» und Christopher Nolans
Thriller «Tenet» mit Robert Pattinson starten.

Nun jedoch haben die Studios die Reißleine gezogen und die weltweiten
Starts dieser beiden Filme in den August verschoben - vorerst. Denn
wenn die Kinos in großen Teilen der Welt wegen der Corona-Pandemie
noch nicht wieder oder nur deutlich eingeschränkt geöffnet haben,
dann wären auch die Einnahmen viel niedriger. Solche Verluste will
kein Studio riskieren, besonders nicht bei Filmen, die viele
Millionen US-Dollar gekostet haben. Bis sich die Aussichten in dieser
Hinsicht spürbar verbessern, dürfte daher noch einige Zeit vergehen.