«Grüne Welle» bei Kommunalwahlen setzt Macron unter Druck

Wütende Proteste gegen die Rentenreform, dann die Corona-Krise, nun
ein Vormarsch von Grünen in Großstädten: Für Frankreichs Staatschef

Macron kommt es Schlag auf Schlag. Zieht er nun die Notbremse?

Paris (dpa) - Beispiellose Erfolge von den Grünen und ihren
Verbündeten bei den Kommunalwahlen in Frankreich setzen Staatschef
Emmanuel Macron erheblich unter Druck. Sein Mitte-Lager erlebte bei
der Endrunde am Sonntag ein Fiasko.

Zwar konnte sich Regierungschef Édouard Philippe mit deutlichem
Vorsprung in der Hafenstadt Le Havre durchsetzen. Die noch junge
Präsidentenpartei La République en Marche (LREM) scheiterte aber mit
ihrem ursprünglichen Vorhaben, Paris zu erobern und in anderen
Städten für Überraschung zu sorgen. «Wir erleben natürlich an die
sem
Abend eine Enttäuschung», räumte Regierungssprecherin Sibeth Ndiaye
am Sonntagabend im TV-Sender France 2 ein.

In wichtigen Städten wie Lyon, Straßburg, Bordeaux oder Besançon
setzten sich grüne Kandidatinnen und Kandidaten durch, wie
französische Medien unter Berufung auf Hochrechnungen und Ergebnisse
berichteten. Die Sprecherin von Europe Écologie - Les Verts (EELV),
Eva Sas, sprach von einer «grünen Welle». Bisher ist Grenoble die
einzige große Stadt mit einem grünen Bürgermeister.

Macron wird am Montagvormittag zu einem schon länger geplanten
Treffen mit den Mitgliedern eines Bürgerkonvents zur Klimapolitik
zusammenkommen. Zu den Empfehlungen des Gremiums gehören ein
Tempolimit auf der Autobahn von 110 statt 130 Stundenkilometern und
ein Verbot von gentechnisch verändertem Saatgut. Einige Vorschläge
könnten zu einem Referendum führen - zum Beispiel die Verpflichtung
zum Kampf gegen den Klimawandel in der französischen Verfassung. Am
Nachmittag wird Macron dann nach Deutschland reisen, um im
brandenburgischen Meseberg mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über
europapolitische und internationale Themen zu beraten.

Die Stichwahlen waren eigentlich für Ende März geplant, mussten aber
wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Überschattet waren sie
von einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von rund 40 Prozent.
Noch vor sechs Jahren hatte die Beteiligung noch bei gut 62 Prozent
gelegen. In den Wahllokalen galt Maskenpflicht.

In Paris triumphierten die sozialistische Amtsinhaberin Anne Hidalgo
und ihre Verbündeten aus dem linken Lager - sie ließen die
konservative Herausforderin Rachida Dati weit hinter sich. Hidalgo
ist in der Hauptstadt durchaus umstritten, denn sie kämpft mit harten
Bandagen gegen den Autoverkehr. Paris plant 2024 die Olympischen
Spiele. In Marseille lag ein Linksbündnis um die Umweltschützerin
Michèle Rubirola vorn - dort regierte 25 Jahre lang der Konservative
Jean-Claude Gaudin. Die bürgerliche Rechte hielt Bastionen wie Nizza
oder Toulouse.

Macron hatte angekündigt, dass er im Juli seinen Landsleuten den
politischen Kurs nach der Coronavirus-Pandemie erläutern will. Das
Land wurde von der Pandemie hart getroffen, es gab rund 30 000 Tote.
Ob der in Beliebtheitsumfragen gut platzierte Philippe bei der
erwarteten Regierungsumbildung gehen muss, ist offen. Während der
Corona-Krise hatte es Spannungen mit Macron gegeben, der bei der
Lockerung der Ausgangsbeschränkungen aufs Tempo drückte.

Die Stichwahlen betrafen fast 5000 Kommunen, darunter waren die
größten Städte des Landes. Zur Stimmabgabe aufgerufen waren gut 16
Millionen Wählerinnen und Wähler - das entspricht etwa einem Drittel
der Wahlberechtigten in Frankreich.