Bayern kündigt Corona-Tests für alle an

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie richtet sich der Blick zurzeit vor
allem auf die sogenannten Hotspots. Doch wie weit hat sich das Virus
unbemerkt schon in der Allgemeinbevölkerung ausgebreitet? Bayern
macht den Bürgern nun ein ungewöhnliches Angebot.

München/Gütersloh (dpa) - Bayern will als erstes Bundesland
Corona-Tests für jedermann einführen - unabhängig davon, ob er
Symptome hat oder einem besonderen Risiko ausgesetzt ist.
Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) kündigte am Sonntag eine
«Corona-Testoffensive» an. «Allen Bürgerinnen und Bürgern Bayerns

wird deshalb zeitnah angeboten, sich bei einem niedergelassenen
Vertragsarzt auch ohne Symptome testen zu lassen.» Die Kosten will
der Freistaat übernehmen, soweit sie nicht etwa von der Krankenkasse
getragen werden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) reagierte zurückhaltend.
«Umfangreiches Testen ist sinnvoll, insbesondere um regionale
Ausbrüche schnell einzudämmen. Dazu haben wir das Testkonzept des
Bundes bereits vor Wochen angepasst», sagte er am Sonntag der
Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Zusätzliche Testangebote durch
die Länder könnten das ergänzen. «Allerdings ist ein Test immer nur

eine Momentaufnahme. Er darf nicht in falscher Sicherheit wiegen.»

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert eine zielgenaue
Strategie. Grundsätzlich sei das Vorgehen Bayerns richtig.
«Allerdings müssen wir dafür sorgen, dass die richtigen Leute
getestet und die Tests selbst billiger werden», sagte Lauterbach der
Funke Mediengruppe. Im Herbst seien Massentests nötig. «Neue Studien
deuten daraufhin, dass es stärker auf die Häufigkeit der Tests
ankommt, in welchen Abständen ich Risikopersonen regelmäßig teste.»


Generell sind in Deutschland inzwischen Corona-Tests in vielen Fällen
auch ohne akute Krankheitsanzeichen möglich - besonders in sensiblen
Bereichen wie Kliniken, Pflegeheimen, Schulen und Kitas. Spahn hatte
vor knapp drei Wochen eine Verordnung verkündet, die dafür eine Reihe
zusätzlicher Testmöglichkeiten auf Kassenkosten festlegt. Bis dahin
gab es Tests auf Kassenkosten in der Regel nur bei Infektionsverdacht
- also wenn man Symptome wie Fieber, Husten, Halsschmerzen oder
Geruchs- und Geschmacksstörungen hatte.

Bayern ist aber das erste Bundesland, das Tests für alle vorsieht.
«Ein Eckpunkt unseres Bayerischen Testkonzepts ist, dass alle
Personen, die auf eine Infektion auf SARS-CoV-2 getestet werden
wollen, Gewissheit darüber erhalten sollen, ob sie sich infiziert
haben», betonte Huml. Es sei «ein ergänzendes Angebot, das
vollständig aus staatlichen Mitteln getragen wird», sagte ein
Sprecher auf dpa-Anfrage. Den Ärzten steht es demnach aber frei, die
Leistung anzubieten.

Nach dem Corona-Ausbruch in einem Tönnies-Fleischbetrieb im Kreis
Gütersloh sehen die Behörden in Nordrhein-Westfalen bisher keine
Anzeichen dafür, dass sich das Virus in größerem Umfang unter der
übrigen Bevölkerung verbreitet hat. Der Kreis Gütersloh berichtete am

Samstagabend, die Zahl der nachweislich Infizierten, die keinen
direkten Bezug zur Tönnies-Belegschaft haben, sei zuletzt zwar
«merklich» gestiegen. Das liege aber vor allem an der starken
Ausweitung der Tests. Viele der Infizierten zeigten keine Symptome.

Vom 21. bis 27. Juni sind demnach 107 Fälle in der übrigen
Bevölkerung des Kreises Gütersloh bekannt geworden. Das sind 32 mehr
als am Vortag berichtet. Im Nachbarkreis Warendorf waren nach Angaben
der Behörden nur 2 der 4491 Corona-Tests positiv, die bis
Samstagnachmittag in zwei Testzentren und bei Ärzten ausgewertet
wurden. «Der bisherige Trend zeigt, dass das Virus nicht auf die
allgemeine Bevölkerung übergesprungen ist», erklärte Landrat Olaf
Gericke (CDU) am Abend.

In den Kreisen Gütersloh und Warendorf gelten wegen des
Corona-Ausbruchs in dem Tönnies-Werk mit mehr als 1500 infizierten
Mitarbeitern seit vergangenen Mittwoch wieder verschärfte
Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Alle Bürger können sich
freiwillig testen lassen. Zum Start der Schulferien in NRW nehmen
viele das Angebot an, damit sie eine Bescheinigung bekommen, die
ihnen Urlaub in anderen Bundesländern erlaubt.

Das NRW-Gesundheitsministerium wiederum erhofft sich von den Tests in
der Allgemeinbevölkerung ein Bild, inwieweit sich das Virus
ausgebreitet hat. Da die verschärften Auflagen bis zum 30. Juni
befristet sind, muss spätestens am Dienstag eine Entscheidung über
Auslaufen oder Verlängerung fallen.

Nach den Vorfällen bei Tönnies muss die Fleischindustrie in
Nordrhein-Westfalen künftig Beschäftigte auf eigene Kosten mindestens
zwei Mal pro Woche testen lassen. Die neue Vorgabe gilt ab 1. Juli
für Betriebe mit mehr als 100 Beschäftigten, wie das
Landesministerium für Arbeit und Gesundheit mitteilte.

Auch in Bayern soll ein Schwerpunkt der Tests auf Schlachthöfen und
Fleischverarbeitungsbetrieben liegen. In 33 weiteren ausgewählten
Betrieben sollen die Mitarbeiter reihenweise getestet werden. Bei den
ersten Reihentestungen bei 51 Schlachthöfen in Bayern waren laut
Ministerium 110 Menschen positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden.